Aktuelles

Ein Berufsmodell mit Zukunft

Die MPA und MPK sind multitalentiert und interprofessionell

DOI: https://doi.org/10.4414/phc-d.2022.10644
Veröffentlichung: 07.12.2022

Marianne Schenk

Schweizerischer Verband Medizinischer Praxis-Fachpersonen, SVA

Neue Berufe mit Kompetenzen, die bis anhin ausschliesslich der Ärzteschaft zugeordnet wurden, bringen Entlastung und lösen einen Kulturwandel in der Grundversorgung aus. Die Medizinischen Praxisassistentinnen und -assistenten (MPA) erwerben mit der Weiterbildung zur Medizinischen Praxiskoordinatorin oder zum Praxiskoordinator (MPK) auf der höheren Berufsbildung erweiterte Kompetenzen im Bereich Betriebs- und Qualitätsmanagement sowie Skills für die Führung von Mitarbeitenden. Sie erwerben zudem Kompetenzen für die Betreuung und Begleitung von Menschen mit chronischen Krankheiten [4].

Die interprofessionelle Zusammenarbeit stärkt die Fachkompetenzen aller Beteiligten und macht die Versorgung von chronisch kranken Menschen in der Hausarztpraxis effizienter und vernetzter. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Instituts für Hausarztmedizin der Universität Bern zeigt auf, dass die Qualität der Betreuung von Menschen mit Diabetes durch delegierte Arbeiten an die MPK klinischer Fachrichtung weiterhin auf einem gleich hohen Niveau steht wie die Qualität der Betreuung durch die Ärztin oder den Arzt selbst [1].

Der Fachkräftemangel zeigt sich zunehmend auch in der ambulanten Grundversorgung bei den Praxisfachpersonen [3]. Er beansprucht Massnahmen in ebensolchen Bereichen, wie sie bei der Pflegeinitiative formuliert und gefordert werden. Die Steigerung der Attraktivität der beruflichen Ausbildung und damit verbunden die Möglichkeit, sich als MPA weiterzuentwickeln, sind unter anderem Massnahmen, die dazu beitragen, dass die Fachkräfte in der ambulanten Grundversorgung erhalten bleiben.

Die Arbeitsbedingungen für die Praxisfachpersonen orientieren sich nicht nur an den monetären Kriterien, sondern auch an den Möglichkeiten der Förderung von Job-Enrichments im Praxisteam. Mit der interprofessionellen Teamarbeit sind die MPA und MPK Multitalente. Das Berufsprofil einer/eines MPA ist generalistisch orientiert und beinhaltet neben kaufmännischen Kompetenzen für das Administrieren einer Arztpraxis auch medizinisch-technische Fähigkeiten für die Diagnostik und Therapie. Die Berührungspunkte zu anderen Gesundheitsfachkräften in Feldern wie der biomedizinischen Analyse oder der Radiologie machen diese Berufsleute zu guten interprofessionellen Teamplayern, weil sie ihre Grenzen und die Berufe im Gesundheitswesen ab Ausbildungsbeginn kennen.

Die klinischen MPK

Die Grundversorgung spielt eine Hauptrolle in der integrierten Versorgung chronisch kranker Menschen. Eine optimale Versorgung geht weit über das Lösen von akuten medizinischen Problemen hinaus und wird idealerweise durch ein interprofessionelles Team abgedeckt, das die medizinischen, sozialen und verhaltenstherapeutischen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten adressieren kann (PWC, Research Institute, 2016).

Mit ihren erweiterten Kompetenzen können MPK klinische Richtung den Zugang zu den regionalen Ressourcen wie Spitex, Apotheken und anderen Gesundheitseinrichtungen – bspw. zur Ernährungsberatung oder Physiotherapie – im Beratungsgespräch erleichtern und durch Vorbereitung die Beratungen bei diesen Fachpersonen effizienter starten lassen. Das spart nicht nur Kosten, sondern lebt die interprofessionelle Arbeit vor. In der Ausbildung wird das Wissen im Bereich Chronic Care Management vertieft, und auch hier sind die Berührungspunkte zu den verschiedenen Fachpersonen im Gesundheitswesen vielfältig vorhanden. Damit sind die MPK, wie es bereits das Wort «Koordinator oder Koordinatorin» in der Berufsbezeichnung beschreibt, die perfekten Fachleute für die Schnittstelle in und aus der Arztpraxis. Nicht zu vergessen ist, dass die MPK Menschen mit chronischen Krankheiten darin unterstützen können, sich im Umfeld eines immer komplexer werdenden Gesundheitswesens zurechtzufinden. Zudem trägt die Arbeit der MPK auch der Prävention zu, was ebenfalls hilft, die Kosten zu senken. Damit die Qualität der MPK-Tätigkeiten erhalten bleiben und sich weiterentwickeln kann, müssen Standards in der Betreuung von chronisch kranken Menschen in der Arztpraxis interprofessionell definiert werden. Regelmässige Qualitätszirkel, spezifisch für die MPK, sind notwendig und müssten ebenfalls interprofessionell gestaltet werden. In einigen Netzwerkorganisationen wird dies bereits umgesetzt, was beispielhaft ist und den MPK damit eine gute Grundlage für die weitere Berufsarbeit und -entwicklung bringt.

Der Schweizerische Verband Medizinischer Praxis-Fachpersonen (SVA) hat für die Beschreibung der Tätigkeiten einer/eines klinischen MPK anhand eines Flussdiagramms aufgezeigt, wie die Arbeit bildlich und organisatorisch dargestellt werden kann (Abb. 1).

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Abbildung 1: Beispiel für Flussdiagramm klinische Richtung. Patientenpfad mit Medizinischer Praxiskoordinatorin / Medizinischem Praxiskoordinator in der Hausarztpraxis.

Die praxisleitenden MPK

Die erweiterten Kompetenzen der praxisleitenden MPK kommen sowohl in Einzel- als auch in Gruppen- und Gemeinschaftspraxen zum Einsatz. Sie werden für die Managementprozesse der Betriebe eingesetzt und führen diese organisatorisch. Idealerweise werden sie auf Stufe der Geschäftsleitung organsiert und erhalten damit eine Kaderposition. Die Erfahrungen zeigen, dass dies in einigen Arztpraxen bereits erfolgreich umgesetzt wird und die MPA damit echte Aufstiegschancen im Beruf erhalten. Das steigert die Berufsattraktivität und trägt dazu bei, die MPA im Beruf halten zu können. Die Zahlen der erteilten Fachausweise in der praxisleitenden Richtung bestätigen den Trend hin zum Bedarf an diesen Praxisfachpersonen. Im Verhältnis 1/3 klinische Fachrichtung zu 2/3 praxisleitende Richtung wird sich in Zukunft wohl sicher bald eine gewisse Marktsättigung zeigen. Wir gehen davon aus, dass die klinische Richtung aufholen wird, sobald eine tarifarische Regelung für die MPK-Leistungen geregelt wird.

Für die praxisleitende Richtung hat der SVA anhand eines Organigramms mit den entsprechenden Managementstufen ein Beispiel erarbeitet, aus dem ersichtlich wird, wo und mit welchen Funktionen die MPK eingesetzt werden können (Abb. 2).

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Abbildung 2: Beispiel Musterdiagramm Medizinische Praxiskoordinatorin / Medizinischer Praxiskoordinator praxisleitende Richtung in der Hausarztpraxis.

Die Weiterbildung der MPA wird durch den SVA auf breiter Ebene gefördert und damit die Qualität der Berufsarbeit angehoben. Eine Mitgliedschaft im SVA lohnt sich deshalb nicht nur für die Berufsleute selbst, sondern auch für die Praxisbetriebe beziehungsweise Arbeitgeber. Das zeigt sich auch daran, dass die Arbeitgeber zunehmend den SVA-Mitgliederbeitrag für die MPA und MPK übernehmen. Sie koppeln diese Beteiligung bspw. an Rahmenbedingungen für das jährliche Qualifikationsgespräch und die Zielvereinbarungen, wo eine definierte Weiterbildungsaktivität bzw. Anzahl SVA-Credits von den Praxisfachpersonen gefordert werden. Das hat Vorbild- und Zukunftscharakter, nicht zuletzt aus Gründen für künftige Abrechnungsmodelle der MPK-Leistungen, wo eine Weiterbildungspflicht gefordert wird.

Am 28.10.2022 hat der Bundesrat eine Medienmitteilung veröffentlicht, in der er keinen Handlungsbedarf auf das Postulat Steiert «Rolle der Praxisassistentinnen im schweizerischen Gesundheitssystem» festhält. Im Postulat wurde die Förderung und Stärkung der Kompetenzen der Medizinischen Praxisassistentin oder des Praxisassistenten gefordert. Durch die Weiterbildung für die MPA auf Tertiärstufe wurden diese Forderungen umgesetzt. Die Fachprüfung zur MPK werde von den Organisationen (FMH, MFE, SVA, ARAM und Odamed) als gewinnbringend eingeschätzt. Der Beruf der MPK hat sich seit 2015 im Laufe der Jahre gut etabliert und trägt zur Qualität der Versorgung bei [2].

Der SVA wird die Weiterentwicklung der Berufsbilder fortführen und in Zusammenarbeit mit den anderen Berufsorganisationen das Qualifikationsprofil der MPK marktgerecht anpassen. Eine Revision der Prüfungsordnung ist gestartet. Weitere Entwicklungen in der höheren Berufsbildung sind im Gespräch und Planungsschritte in dieser Richtung weiter vorgesehen. Die Entwicklung des Berufs der MPK ist eine Erfolgsgeschichte, die durch die Zusammenarbeit mit den MPA-Verbänden, der FMH und MFE und den Bildungsorganisationen entstanden ist. Pioniergeist und Durchhaltewillen sind Eigenschaften, die zum Erfolg beigetragen haben, und dieser Geist hält sich bis heute!

Redaktionelle Verantwortung: Sandra Hügli-Jost, mfe

Korrespondenzadresse

Sandra Hügli-Jost

Kommunikationsbeauftragte

mfe Haus- und Kinderärzte

Schweiz

Geschäftsstelle

Effingerstrasse 2

CH-3011 Bern

Sandra.Huegli[at]hausaerzteschweiz.ch

Literatur

1 Ansorg, A.-K. (22. 06 2022). smw.ch. Von Swiss Medical Weekly: https://smw.ch/article/doi/smw.2022.w30180 abgerufen

2 Bundesrat. (28. 10 2022). admin.ch. Von https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-90889.html abgerufen

3 GDK. (2021). Obsan Bericht .

4 odamed. (2015). odamed. Von http://www.odamed.ch/home.html abgerufen PWC, Research Institute. (2016). Building the dream team. ROI for primary care, S. 2–16.

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