Weiterbildungsstrategien, Meinungen und Sorgen

Assistenzärztinnen und -ärzte in der Pädiatrie

Originalarbeit
Ausgabe
2023/01
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2023.10506
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2023;23(01):

Affiliations
a Departement Kinder und Jugendliche, Inselspital Universitätsspital Bern, Schweiz; b Berner Institut für Hausarztmedizin BIHAM, Universität Bern, Schweiz; c Claudia Baeriswyl, Regina Balmer, Mélissande Imseng, pädiatrie schweiz (Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie), Freiburg, Schweiz

Publiziert am 10.01.2024

Weiterbildungsstrategien, Meinungen und Sorgen

Abstract

Einführung: Assistenzärztinnen und -ärzte (AAs) sind aufgrund ihrer Situation als lernende Fachkräfte vielseitigen Stressoren ausgesetzt. Aus Studien über AAs in der allgemeinen inneren Medizin wissen wir, dass die Arbeitsbelastung hoch und die Zufriedenheit gemischt ist. Ziel dieser Studie ist eine Beschreibung der Weiterbildungsstrategien, Meinungen und Sorgen von AAs in der Pädiatrie in der Schweiz.
Methodik: Im Juli 2021 haben wir eine Einladung zur Teilnahme an einer anonymen Online-Umfrage via SurveyMonkey in deutscher und französischer Sprache an alle Schweizer Kinderspitäler geschickt. Wir haben die Einladung auch direkt an alle Assistenzmitglieder von pädiatrie schweiz (Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie) verschickt (N = 412). Wir haben grundlegende demografische Informationen und Daten zu Ausbildungsstrategien, Arbeitsmustern und Arbeitserfahrungen erfasst und baten die Teilnehmenden, mögliche Entwicklungsoptionen zu bewerten (auf einer Skala von 0 = «nicht wichtig» bis 100 = «sehr wichtig»).
Resultate: Insgesamt haben 212/566 (37%) Assistenzärztinnen und -ärzte die Umfrage ausgefüllt, 147 (69%) auf Deutsch und 65 (31%) auf Französisch. Von den 212 Personen haben 181 (85%) demografische Fragen beantwortet, und davon gaben 85% an, weiblich zu sein. Der Altersmedian lag bei 30 Jahren. In 95% der Fälle arbeiteten AAs ausschliesslich in einer Klinik, der Rest war in einer Praxis oder in der Forschung tätig. Sie gaben an, im Median 55 Stunden bei einer 100%-Anstellung zu arbeiten. Die Arbeitszeit war in der Praxis um 4 Stunden pro Woche niedriger als in den Universitätskliniken. Die meisten arbeiteten Vollzeit, 10% gaben eine Teilzeitbeschäftigung an. Insgesamt waren 55% der Teilnehmenden der Ansicht, dass sie zu viel arbeiteten, was auf unzureichende administrative Unterstützung (fehlendes Case Management bei 47%) oder Unzufriedenheit mit der klinischen Software (39%) zurückgeführt wurde. Zu den Fortbildungsressourcen gehörten Lehrbücher (88%), Online-Medien und Fachzeitschriften (jeweils 83%), Kongresse (61%) und die «Repetitorien/répétitoires» (58%).
Generell waren die AAs mit der Weiterbildung an ihrer Klinik zufrieden (84% zufrieden oder sehr zufrieden). Optimierungsvorschläge wurden wie folgt bewertet (Median/100): Ultraschall-Curriculum 95 (99,5 bei den deutschen vs. 80 bei den französischsprachigen AAs), digitale Ausbildungsplattform 90, mehr Teilzeitarbeitsmöglichkeiten 100 und eine 42-Stunden-Woche 100 (die Ergebnisse waren in beiden Sprachgruppen ähnlich).
Schlussfolgerung: Assistenzärztinnen und -ärzte in der Pädiatrie in der Schweiz sind mehrheitlich weiblich und im Allgemeinen mit ihrem Beruf und ihrer Weiterbildung zufrieden, wünschen sich aber mehr strukturelle Unterstützung (z.B. administrativ, Teilzeitmodelle), um ihre hohe Arbeitsbelastung zu verringern.

Einführung

Assistenzärztinnen und -ärzte (AAs) sind aufgrund ihrer Situation als lernende Fachkräfte vielseitigen Stressoren ausgesetzt. Aus einer Studie über Schweizer AAs in der Allgemeinen Inneren Medizin wissen wir, dass die Arbeitsbelastung hoch und die Zufriedenheit gemischt ist [1]. Die hohe Belastung und die vielen Arbeitsstunden im Büro wurden als die wichtigsten modifizierbaren Prädiktoren für ein geringeres Wohlbefinden gewertet. Die Autorenschaft unterstreicht die ethische Verantwortung, die die Gesundheitsorganisationen haben, Massnahmen zur Verbesserung des Wohlbefindens von AAs zu ergreifen. Diesbezüglich hat die Universität von Arizona, USA, im Jahr 2018 ein Kurrikulum entwickelt, um die Entwicklung der Kernkompetenzen der AAs zu stärken, die Burnout-Rate zu reduzieren und das Wohlbefinden der AAs zu steigern [2]. Die Autorenschaft spricht von einem Paradigmenwechsel weg von der traditionellen Weiterbildung, die von einer Kultur des unrealistischen Durchhaltevermögens und der Selbstaufopferung untermauert wird. Das entwickelte «Pediatric Integrative Medicine in Residency Program» soll eine gesunde Lebensweise und die Kultivierung von Selbstbewusstsein, Selbstregulierung, Empathie, Achtsamkeit und Mitgefühl fördern. Andererseits könnten strukturelle Massnahmen einen wesentlichen Beitrag zur verbesserten Weiterbildungs-, Arbeits- und Lebensqualität der AAs leisten [3]. Um die aktuelle Situation zu beurteilen, möchten wir in dieser Studie die Weiterbildungsstrategien sowie die Meinungen und Sorgen von Assistenzärztinnen und -ärzten in der Pädiatrie in der Schweiz evaluieren.

Methodik

Im Juli 2021 haben wir eine Einladung zur Teilnahme an einer anonymen Online-Umfrage via SurveyMonkey in deutscher und französischer Sprache an alle Schweizer Kinderspitäler geschickt und die Klinikdirektorinnen und -direktoren gebeten, den Link an ihre AAs weiterzuleiten. Italienischsprachige AAs haben den deutschen oder französischen Fragebogen ausgefüllt, je nach persönlicher Präferenz. Wir haben die Einladung auch direkt an alle Assistenzmitglieder von pädiatrie schweiz (Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie) verschickt (N = 412 von 566 AAs in der Pädiatrie gemäss SIWF) [4]. Wir haben die AAs gebeten, die Umfrage nur einmal auszufüllen.
Hauptoutcomes waren die beanspruchten Weiterbildungsressourcen (Lehrbücher, Online-Medien, Fachzeitschriften, Kongresse und Repetitorien), Fragen zur aktuellen Arbeitssituation (Zufriedenheit und Optimierungsbedarf bezüglich Weiterbildung, Arbeitspensum, Klinikinformationssystem, und administrativer Unterstützung) und die Einstellung gegenüber vorgeschlagenen Entwicklungsoptionen (strukturierte Weiterbildung in der Sonographie, digitale Ausbildungsplattform, mehr Teilzeitarbeitsmöglichkeiten und Reduktion der Sollarbeitszeit inklusive Weiterbildung auf 42 Stunden). Bei den Weiterbildungsressourcen wurde gefragt, ob AAs diese nutzten, und wenn ja, welche spezifischen Titel (z.B. Namen von Lehrbuch oder Journal). Bezüglich Zufriedenheit und Optimierungsbedarf wurden Freitexte angeboten und die Antworten danach qualitativ gruppiert; Fragen konnten ohne Angaben von Gründen übersprungen werden. Die Einstellung gegenüber vorgeschlagenen Entwicklungsoptionen wurden auf einer Skala gewertet, abgestuft von 0 = «nicht wichtig» bis zu 100 = «sehr wichtig».
Wir haben als grundlegende demografische Informationen nach Alter, Geschlecht, Weiterbildungsjahr, Arbeitssetting (Universitätsspital, Kantonsspital, peripheres Spital, Praxis, Forschung), Ausbildungsjahr und Mitgliedschaft bei pädiatrie schweiz gefragt.
Der komplette Fragebogen kann auf Anfrage persönlich zugesandt werden.

Resultate

Insgesamt haben 212/566 (37%) Assistenzärztinnen und -ärzte die Umfrage ausgefüllt, 147 (69%) auf Deutsch und 65 (31%) auf Französisch. Von den 212 Personen haben 181 (85%) demografische Fragen beantwortet, und davon gaben 85% an, weiblich zu sein. Der Altersmedian lag bei 30 Jahren. In 95% der Fälle arbeiteten AAs ausschliesslich in einer Klinik, der Rest war in einer Praxis oder in der Forschung tätig (Tab. 1). AAs gaben an, im Median 55 Stunden bei einem 100% Pensum zu arbeiten (Abb. 1), wobei es keine Variation nach Geschlecht oder Jahr der Facharztausbildung gab (Tab. 1 und Abb. 2). Die mediane Arbeitszeit war in der Praxis um 4 Stunden pro Woche niedriger als in den Universitätskliniken, dies aufgrund des höheren Teilzeitanteils in Praxen (Abb. 3 und 4). Die meisten AAs arbeiteten Vollzeit, 10% gaben eine Teilzeitbeschäftigung mit <90% Pensum an (Tab. 1). Insgesamt waren 55% der AAs der Ansicht, dass sie zu viel arbeiteten, was auf unzureichende administrative Unterstützung (fehlendes Case Management in 47%) oder auf Unzufriedenheit mit dem Klinikinformationssystem (50%) zurückgeführt wurde, wobei sich je nach Frage bis zur Hälfte der Befragten der Antwort enthielten (Tab. 2).
Abbildung 1: Korrigierte Arbeitsstunden (= für ein 100% Pensum) nach Arbeitssetting.
Abbildung 2: Korrigierte Arbeitsstunden (= für ein 100% Pensum) nach Weiterbildungsjahr.
Abbildung 3: Arbeitsstunden nach Arbeitssetting.
Abbildung 4: Pensum nach Arbeitssetting.
Tabelle 1: Charakteristiken von 181 Teilnehmenden Assistenzärztinnen und -ärzten in der Schweizer Pädiatrie, die demographische Angaben gemacht haben.
CharakteristikN (%) oder Median (IQR)N Total AntwortenAnmerkungen
Sprache
– Deutsch
– Französisch

147 (69)
65 (31)

212
Italienischsprachige AAs haben den deutschen oder französischen Fragebogen ausgefüllt, je nach persönlicher Präferenz.
Geschlecht: Frau154 (85)181
Alter in Jahren30 (29–32)175Range 24 bis 38
Arbeitssetting1
– Universitätsspital
– Kantonsspital
– Peripheres Spital
– Praxis
– Forschung

91 (51)
76 (42)
3 (2)
6 (3)
3 (2)

179

Arbeitsstunden pro Woche54 (50–58)180Range 23 bis 98
Korrigierte Stunden pro Woche für 100%2
– Frauen
– Männer

55 (50–60)
55 (50–60)
55 (50–60)

178

Range 40 bis 100
Range 45 bis 100
Range 40 bis 70
Anstellungspensum in %100 (100–100)178Range 50 bis 100
Ausbildungsjahr
1
2
3
4
5
6 oder mehr

30 (17)
30 (17)
36 (20)
27 (15)
34 (19)
23 (13)

180

Mitglied bei pädiatrie schweiz102 (58)177Häufigster Grund, nicht Mitglied zu sein, war, dass AAs pädiatrie schweiz nicht kannten (61%).
IQR = Inter Quartile Range = p25 und p75
1 Haupt-Arbeitssetting im Moment
2 Korrigierte Stunden = angegebene Arbeitsstunden / % Pensum (zwischen 0 und 1)
Tabelle 2: Weiterbildungsressourcen, aktuelle Arbeitssituation und die Einstellung gegenüber vorgeschlagenen Entwicklungsoptionen.
OutcomeN (%) N Total Antworten
Lernressourcen Kategorien
– Lehrbücher
– Online-Medien
– Fachzeitschriften
– Kongresse
– «Repetitorien/répétitoires»

186 (88)
176 (83)
176 (83)
130 (61)
125 (59)
 
212
Lernressourcen Spezifisch1
– Zeitschrift Paediatrica
– Repetitorien pädiatrie schweiz
– pädiatrie schweiz Jahreskongress
– UpToDate online
– Nelson-Textbook
– Amboss-App oder -Website
– pädiatrische Zeitschriften
– Update Refresher Pädiatrie

118 (67)
79 (63)
79 (61)
73 (41)
66 (35)
56 (32)
38 (22)
25 (20)
 
176
125
130
176
186
176
176
125
Zufriedenheit mit der Weiterbildung2
– sehr zufrieden
– zufrieden
– ungenügend

102 (64)
33 (21)
25 (16)
 
160
Arbeitsbelastung2
– in Ordnung
– zu hoch

57 (45)
71 (55)
 
128
Klinikinformationssystem2
– zufrieden
– in Ordnung
– ungenügend

26 (26)
24 (24)
50 (50)
 
100
Case Management / Sekretariat2
– vorhanden / gut
– nicht vorhanden oder zu wenig

64 (53)
57 (47)
 
121
Wichtigkeit von 0–100
– Ultraschall-Curriculum
– digitale Ausbildungsplattform
– mehr Teilzeitarbeitsmöglichkeiten
– 42-Stunden-Woche

95 (77-100)
90 (75.5-100)
100 (80-100)
100 (80-100)
DE // FR
99.5 // 80
90 // 85
100 // 100
100 // 97.5
180
1 Hier aufgelistet, falls >20% der Teilnehmenden die Ressource angegeben haben
2 Resultate zusammengestellt aus qualitativer Auswertung
Als Weiterbildungsressourcen-Kategorien gaben AAs Lehrbücher (88%), Online-Medien und Fachzeitschriften (jeweils 83%), Kongresse (61%) und die «Repetitorien/répétitoires» (59%) an. Am häufigsten wurden folgende Ressourcen genannt: die Zeitschrift Paediatrica (67%), die von pädiatrie schweiz organisierten Repetitorien (63%) und der Jahreskongress (61%), UpToDate online (41%), das Nelson-Textbook (35%), die Amboss-App oder -Website (32%), diverse pädiatrische Zeitschriften (total 22%) und der Update Refresher Pädiatrie (20%, Tab. 2).
Generell waren die AAs mit der Weiterbildung an ihrer Klinik zufrieden; 84% gaben an, zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Optimierungsvorschläge wurden wie folgt bewertet (Median/100): Ultraschall-Curriculum 95/100 (99,5 bei den deutschen vs. 80 bei den französischsprachigen AAs), digitale Ausbildungsplattform 90/100, mehr Teilzeitarbeitsmöglichkeiten 100/100 und eine 42-Stunden-Woche 100/100 (diese Ergebnisse waren in beiden Sprachgruppen ähnlich, Tab. 2).

Diskussion

Assistenzärztinnen und -ärzte in der schweizerischen Pädiatrie sind mehrheitlich weiblich und waren im Allgemeinen mit ihrem Beruf und ihrer Weiterbildung zufrieden, wünschten sich aber mehr administrative Unterstützung und mehr Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit, um ihre hohe Arbeitsbelastung zu verringern.
Die Situation in der Weiterbildung zur Fachärztin Kinder- und Jugendmedizin scheint sich im Wesentlichen nicht von derjenigen in der Allgemeinen Inneren Medizin (AIM) in der Schweiz und international zu unterscheiden. Gemäss der Studie aus der AIM arbeiten AAs dort einen Median von 55 Stunden pro Woche, meistens in Vollzeit, gleich wie bei den AAs in der Pädiatrie [1]. Die Erhebung des Schweizerischen Institutes für ärztliche Weiter- und Fortbildung im Jahr 2021 zeigte ebenfalls eine durchschnittliche Arbeitszeit von 54 Stunden pro Woche bei 2.5 wöchentlichen Stunden Weiterbildung [4]. Die AAs in der AIM hatten angegeben, 70% ihrer Zeit mit administrativen Aufgaben zu verbringen, 74% waren aber zufrieden mit dem von der Klinik angebotenen Weiterbildungsprogramm, ähnlich der Pädiatrie. Wie unsere Studie zeigt, werden die multimodalen Lernressourcen breit genutzt und könnten durch Kurse in der Sonographie und einer digitalen pädiatrischen Bildungsplattform ergänzt werden.
Mehr als die Hälfte der AAs in der Pädiatrie geben an, dass sie unter der hohen Arbeitsbelastung leiden. Dies ist ähnlich wie in einer kürzlich publizierten Studie bei chirurgischen AAs in der Schweiz, wo über die Hälfte der AAs einen erhöhten Wert in der Perceived Stress Scale zeigten [5]. Das «Pediatric Integrative Medicine in Residency Program» in den USA versuchte dem mit strukturierten Ausgleichsaktivitäten wie Achtsamkeitstraining entgegenzuwirken, zeigte jedoch nur moderaten Erfolg [2]. Andererseits haben nationale Erhebungen in den USA gezeigt, dass sich organisatorische Massnahmen (administrative Entlastung, Reduktion der Arbeitszeit, optimierte Dienstplanung) zur Steigerung der Zufriedenheit und Verringerung von Burnout im stationären Setting als wirksam erwiesen haben [3]. Eine zufriedenere, gesündere Ärzteschaft ist insbesondere in Fachgebieten mit Personalmangel notwendiger denn je. Eine Schweizer Studie hat gezeigt, dass viele AAs die Work-Life Balance bei ihrer Wahl der Weiterbildung bzw. Fachrichtung zunehmend gewichten [6]. Die aktuell sehr hohe Arbeitsbelastung der Spital-basierten pädiatrischen Spezialistinnen und Spezialisten könnte abschreckend für die Rekrutierung von motiviertem Nachwuchs in diesen Bereichen wirken. Weitere Studien haben gezeigt, dass AAs, denen eine ausgeglichene Arbeitsbelastung wichtig ist, überdurchschnittlich oft ein «allgemeines» Fach wählen [6]. So auch die Praxispädiatrie: Eine Studie bei den Jungen Hausärztinnen und Hausärzten Schweiz zeigt, dass die nächste Generation vor allem in kleinen Gemeinschaftspraxen in Teilzeit arbeiten möchte [7]. Das durchschnittliche Wunschpensum von AAs am Ende ihrer Weiterbildung entsprach gemäss einer schweizerischen Studie 60% [8]. Eine suffiziente Grundversorgung ist neben dem selbstverständlichen Gesundheitsaspekt auch von wirtschaftlichem Interesse, da Haus- und Kinderärzte 94,3% der Gesundheitsprobleme abschliessend lösen und dabei nur 7,9% der Gesundheitskosten verursachen [9]. Um der aktuellen Unterversorgung von Praxispädiaterinnen und -pädiatern entgegenzuwirken, sind effizienzsteigernde oder die Arbeitszeit beschränkende Massnahmen bereits in der Assistenzzeit von Relevanz [10, 11].
Unsere Studie hat Limitationen: Rund 20% der Assistenzärztinnen und -ärzte sind nicht Mitglied bei pädiatrie schweiz. Damit der Link sie erreichen konnte, war die Mitarbeit der Klinikdirektorinnen und -direktoren nötig, die wir nicht beeinflussen konnten. Jedoch situieren wir uns mit einer 37%-Teilnahme im Rahmen der zu erwartenden Quote bei freiwilligen, anonymen Befragungen von AAs. Bei hoher Arbeitsbelastung ist es wahrscheinlich, dass insbesondere stark beanspruchte AAs den Fragebogen nicht ausfüllen konnten. Es ist also möglich, dass die präsentierten Zahlen die aktuelle Situation unterschätzen. Da das Thema ebenfalls die Weiterbildungsstrategien betraf, gehen wir nicht davon aus, dass nur kritische, überlastete AAs den Fragebogen ausgefüllt haben und die «kompensierten» Kolleginnen und Kollegen dies aus Zufriedenheit nicht taten. Da viele Fragen mit Freitext beantwortet wurden, sind die Teile der Resultate als qualitativ zu werten. Wir haben eine breite Palette von Themen angesprochen und gehen davon aus, dass nicht alle AAs zu jedem Thema eine konkrete Meinung hatten, weshalb mehrere von ihnen zu einzelnen Fragen nicht Stellung nahmen. Die aktuelle Studie ist bislang die einzige, die demographische Informationen zu AAs in der Pädiatrie in der Schweiz gesammelt und diese mit Daten zu Weiterbildungsstrategien, Meinungen und Sorgen verglichen hat.
Assistenzärztinnen und -ärzte in der schweizerischen Weiterbildung zum Facharzttitel Kinder- und Jugendmedizin sind mehrheitlich weiblich, arbeiten 55 Stunden pro Woche, meist in Vollzeit, und nutzen eine breite Palette an Weiterbildungsressourcen. Eine Weiterbildung in Ultraschall und eine digitale Bildungsplattform würden die AAs begrüssen. Gemäss unserer Umfrage sind sie mehrheitlich zufrieden mit ihrer Weiterbildung, bemängeln aber lange Arbeitszeiten, zum Teil aufgrund administrativer Aufgaben, und würden mehrheitlich gerne weniger Stunden arbeiten. Weitere Studien sollten den Einfluss von erhöhter Zufriedenheit und damit verbundener Produktivitätssteigerung auf die Sicherung der gesundheitlichen Versorgung der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz erforschen. Pilotstudien zur Evaluation der 42-Stunden-Woche und mehr Teilzeitarbeit könnten dabei wichtige Antworten liefern.
Dr. med Julian Jakob
Vorstand pädiatrie schweiz
Kinderklinik Inselspital Bern und Berner Institut für Hausarztmedizin BIHAM
pädiatrie schweiz
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
Rue de l’Hôpital 15
Postfach 516
CH-1701 Freiburg
1 Zumbrunn B, Stalder O, Limacher A, Ballmer PE, Bassetti S, Battegay E, et al. The well-being of Swiss general internal medicine residents. Swiss Med Wkly. 2020 Jun;150:w20255.
2 McClafferty H, Brooks AJ, Chen MK, Brenner M, Brown M, Esparham A, et al. Pediatric Integrative Medicine in Residency Program: Relationship between Lifestyle Behaviors and Burnout and Wellbeing Measures in First-Year Residents. Children (Basel). 2018 Apr;5(4):54.
3 Panagioti M, Panagopoulou E, Bower P, Lewith G, Kontopantelis E, Chew-Graham C, et al. Controlled Interventions to Reduce Burnout in Physicians: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Intern Med. 2017 Feb;177(2):195–205.
4 SIWF. Umfrage Assistenzärztinnen und -ärzte. 2021 [Internet]. Zitiert am 3. Januar 2023. Zu finden auf: https://www.siwf.ch/weiterbildungsstaetten/umfrage-assistenzaerzte.cfm#i151898.
5 Guglielmetti LC, Gingert C, Holtz A, Westkämper R, Lange J, Adamina M. Nationwide Study on Stress Perception Among Surgical Residents. World J Surg. 2022 Jul;46(7):1609–22.
6 Cribari M, Holzer BM, Battegay E, Minder CE, Zimmerli LU. What makes internal medicine attractive for the millennial generation? A survey of residents in internal medicine in Switzerland. Swiss Med Wkly. 2018 Dec;148:w14696.
7 Gisler LB, Bachofner M, Moser-Bucher CN, Scherz N, Streit S. From practice employee to (co-)owner: young GPs predict their future careers: a cross-sectional survey. BMC Fam Pract. 2017 Feb;18(1):12.
8 Lüer S, Aebi C. Assessment of residency program outcomes via alumni surveys. Adv Med Educ Pract. 2017 Apr;8:307–15.
9 Pellegrini S, Roth S. Entwicklung der Kosten und der Finanzierung des Versorgungssystems seit der Revision der Spitalfinanzierung. Aktualisierung 2013. Neuenburg: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium. Obsan Bulletin 1/2016.
10 Stierli R, Rozsnyai Z, Felber R, Jörg R, Kraft E, Exadaktylos AK, et al. Primary Care Physician Workforce 2020 to 2025 – a cross-sectional study for the Canton of Bern. Swiss Med Wkly. 2021 Sep;151:w30024.
11 Zeller Andreas GS. Resultate der 4. Workforce Studie. Prim Hosp Care. 2020;20(11):325–8.