Fortbildung / Perfectionnement

Weiter- und Fortbildung aus der Sicht des Nachwuchses

How to manage: Mangelernährung beim älteren hospitalisierten Patienten

DOI: https://doi.org/10.4414/phc-d.2023.10637
Veröffentlichung: 03.05.2023

Céline Désirée Fäh

Dipl. Ärztin

Ein 75-jähriger, kachektischer Patient wird hospitalisiert mit einer Pneumonie, Appetit- und Gewichtsverlust von 5 kg in den letzten Monaten. Er ist polymorbid, leidet unter einem Diabetes mellitus, einer Niereninsuffizienz und einer progredienten Herzinsuffizienz. Das soeben abgenommene Labor zeigt erhöhte Entzündungsparameter (CRP 80), welche mit einer Pneumonie vereinbar sind. Nach adäquater Behandlung und Besserung der Symptomatik stellt sich die Frage: Wie weiter? Benötigt der Patient zusätzliche Ursachenabklärungen? Liegt eine behandlungsbedürftige Mangelernährung vor? Zu diesen und weiteren Fragen gab Prof. Philipp Schütz, Allgemein- und Notfallmediziner am KSA, wertvolle Denkanstösse am letztjährigen SGAIM Frühjahrskongress in Lausanne.

Mangelernährung ja oder nein

Als erster Schritt muss objektiviert werden, ob eine Mangelernährung besteht oder nicht. Doch eine Definition der Mangelernährung ist gar nicht so einfach. Historisch wurde die Mangelernährung als Missverhältnis zwischen Kalorien- bzw. Nährstoffbedarf und -zufuhr definiert. Es gilt jedoch auch, die Umstände zu berücksichtigen. Eine kranke oder katabole Person mit Sarkopenie hat einen anderen Bedarf als eine gesunde Person. Auch gibt es heute neue Tools wie zum Beispiel den Nutritional Risk Score (NRS-Score) oder die GLIM-Kriterien, die bei der Risikoeinschätzung resp. dem Erstellen der Diagnose helfen können. Mangelernährung stellt für die betroffenen Patienten ein erhöhtes Gesundheitsrisiko dar und korreliert entsprechend mit dem weiteren Verlauf, dem Outcome und der Langzeitmortalität. Mit den Scores lässt sich jedoch nur das Risiko abschätzen, nicht aber unbedingt, ob besagter Patient auf eine Therapie ansprechen würde. Dabei spielen z.B. die Ursachen eine Rolle. Haupttreiber für die Malnutrition ist die Inflammation, wobei Zytokine zu einem Appetitverlust führen und die Resorption hemmen. Weitere Faktoren sind Immobilisation und der altersbedingte Geschmacksverlust.

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Die Mangelernährung im Alter hat viele Ursachen.

© Satjawat Boontanataweepol / Dreamstime

Hier stellt sich die Frage, wann der optimale Zeitpunkt ist, mit der Therapie der Malnutrition zu beginnen. Erst nach Genesung? Während der aktuellen Hospitalisation? Mit dieser Frage befasste sich eine Studie aus dem Jahr 2019 [1], die zeigen konnte, dass eine frühe Intervention mit einem besseren Outcome und einer verminderten Mortalität einhergeht. Zur Berechnung des Kalorienbedarfs kann die Formel 30 kcal/kgKG als grober Richtwert verwendet werden. Ebenso sind der Eiweissgehalt (1,2 g/kgKG), die Mikronährstoffe und die Vitamine für eine ausgewogene Ernährung zu beachten. Natürlich sollte dies auf jeden Patienten individuell angepasst und ggf. unter Zuhilfenahme einer Ernährungsberatung optimal eingestellt werden. Daher ist es wichtig, bereits im Spital auf Malnutrition zu screenen und bei Bedarf mit einer (wenn möglich) oralen Therapie zu beginnen.

Personalised Nutrition

Nicht jede hospitalisierte Person benötigt eine Anpassung der Ernährung. Ziel ist es, jede Patientin und jeden Patienten individuell zu screenen und Hochrisikopatienten entsprechend ihren Bedürfnissen bestmöglich zu behandeln. Chronische Erkrankungen wie Nieren- oder Herzinsuffizienz spielen dabei eine grosse Rolle. Auch Tumorpatienten brauchen eine individuelle Beratung. Hier zeigen sich bereits die ersten Schwierigkeiten. Ein Patient mit chronischer Herzinsuffizienz sollte eine möglichst salzarme Ernährung bekommen, jedoch wird er aufgrund dessen vermutlich auch weniger essen, da es ihm weniger schmeckt. Hierbei ist ein Abwägen des Pro und Kontra enorm wichtig. Auch ein Patient mit akuter Inflammation braucht eine sehr individuelle Anpassung. Sein Metabolismus ist extrem gestresst und ist damit beschäftigt, abzuwehren und zu entgiften. Führt man einer Person in einer solchen Situation z.B. zu viele Fremdeiweisse zu, hemmt man möglichweise dadurch unbeabsichtigt diese Heilung resp. die Autophagie – also das Entgiftungssystem des Körpers.

Somit gilt: Je heftiger die Inflammation, desto vorsichtiger mit dem initialen Nahrungsaufbau. Gemäss einer aktuellen Studie [2] sprechen Patienten mit mässiger Entzündung und einem CRP <100 gut auf eine Ernährungstherapie an, während bei Patienten mit einem CRP >100 kein Mortalitätsbenefit gesehen wurde. Um auf den Patienten vom Anfang zurückzukommen: Durch seine Polymorbidität und sein CRP um 80 wäre er ein guter Kandidat für eine frühzeitige Ernährungstherapie. Damit tut man etwas Gutes für seine Patientinnen und Patienten und kann die Langzeitmortalität und Komplikationsrate verringern.

Take-home messages

Screening-Tools sollten flächendeckend im Spital eingesetzt werden.

Immer an einfach aufzudeckende Gründe der Malnutrition denken, z.B. Medikamente, die den Appetit hemmen, oder metabolische Erkrankungen.

Wichtig ist, dass diese Behandlung bei Risikopersonen auch nach der akuten Hospitalisation weitergeführt werden kann.

Korrespondenzadresse

Céline Désirée Fäh

dipl. Ärztin

Riedweg 29

CH-3293 Dotzigen

celine.faeh[at]gmx.ch

Literatur

1 Schuetz P, Fehr R, Baechli V, Geiser M, Deiss M, Gomes F, et al. Individualised nutritional support in medical inpatients at nutritional risk: a randomised clinical trial. Lancet. 2019 Jun;393(10188):2312–21.

2 Merker M, Felder M, Gueissaz L, Bolliger R, Tribolet P, Kägi-Braun N, et al. Association of Baseline Inflammation With Effectiveness of Nutritional Support Among Patients With Disease-Related Malnutrition: A Secondary Analysis of a Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open. 2020 Mar;3(3):e200663.

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