Interview mit Dr. med. Romeo Providoli, langjährigem SGAIM-Vorstandsmitglied

„Eine grosse, starke und stetig wachsende Fachgesellschaft“

Aktuelles
Ausgabe
2023/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2023.10672
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2023;23(03):68

Publiziert am 08.03.2023

Interview mit Dr. med. Romeo Providoli, langjährigem SGAIM-Vorstandsmitglied

Blicken wir kurz zurück: Wie hat sich die SGAIM seit dem Zusammenschluss der SGIM & SGAM aus Ihrer Sicht entwickelt?
Obwohl es kulturelle Unterschiede gab, waren die beiden Gesellschaften in gewissen Bereichen, z.B. in der Fortbildung, schon ziemlich deckungsgleich. Allerdings haben sich beide Seiten sehr pragmatisch verhalten, und jetzt nach einigen Jahren sind die Diskussionen von früher nur noch etwas für die Archive. Der Nachwuchs weiss heute gar nichts mehr von den alten Geschichten. Wir sind eine grosse, starke und stetig wachsende medizinische Gesellschaft, die erfreulich unterwegs ist.
Welche aktuellen Herausforderungen sehen Sie für den Fachbereich der Allgemeinen Inneren Medizin?
Es besteht leider die Tendenz der Fragmentierung der Medizin. Viele Fachgesellschaften versuchen, künstliche Abgrenzungen um «ihren» Bereich hochzuziehen. Das führt dazu, dass im ambulanten Sektor bei den Niedergelassenen weniger Spezialuntersuchungen durchgeführt werden können. Ausserdem braucht man dafür noch eine zertifizierte Fort- und Weiterbildung.
Auch im Spitalbereich sehen wir, dass die AIM-Departemente zu Spezialitäteninseln heruntergebrochen werden und die AIM einen schweren Stand hat. Wird eine Chefarztstelle neu besetzt, wird meist eine Person mit Spezialarzttitel das Rennen machen.
Wie kann die SGAIM diesen Herausforderungen begegnen?
Wir kämpfen gegen diese Fragmentierung, zum Beispiel bieten wir an unseren Kongressen Fortbildungen zur Besitzstandswahrung an – Ergometrie, 24-h-BD-Messung, nächtliche Oxymetrie, um nur einige zu nennen. Unser Weiterbildungsprogramm wird ebenfalls laufend angepasst, sodass spezielle Skills nicht nachträglich erworben werden müssen, sondern im Facharzttitel enthalten sind.

Zur Person: Dr. med. Romeo Providoli

Dr. med. Romeo Providoli ist Hausarzt, Mitglied der SGAIM-Fortbildungskommission sowie langjähriges Mitglied des Vorstands der SGAIM und bereits der Vorgängerorganisation SGIM.
Was sehen Sie als grössten Erfolg der SGAIM während Ihrer Vorstandstätigkeit?
Den erfolgreichen Zusammenschluss von SGIM und SGAM, die Weiterentwicklung des Weiterbildungscurriculums, die Modernisierung des Fortbildungsprogrammes und, last but not least, die finanzielle Stabilität der Gesellschaft.
Als Walliser Hausarzt vertreten Sie eine Bergregion im Vorstand. Welche Bedürfnisse hat diese im Vergleich zu den urbanen Zentren?
Wir haben hier, teilweise aus geographischen Gründen, noch relativ viele Einzelpraxen. Zum Teil sind diese auch noch in kleinen, abgelegenen Ortschaften. Die Arbeitsbelastung ist intensiv! Wenn man der einzige Arzt ist weit und breit, hat man immer Dienst. Ausserdem gibt es in den Ferienorten grosse saisonale Schwankungen, und der Taxpunktwert gehört trotz fehlender Selbstdispensation zu den tiefsten in der Schweiz. Damit ist auch schon erklärt, wieso die Suche nach Nachfolgern noch schwieriger ist als in den städtischen Agglomerationen.
Wie haben Sie die Vorstandstätigkeit mit Beruf und Privatleben vereinbart?
Wenn man sich für so ein Amt zur Verfügung stellt, weiss man, dass es mit Zeitaufwand verbunden ist. Tatsächlich gab es gelegentlich auch Tage mit Sitzungen oder Pflichtterminen bei schönstem Wetter, die ich lieber auf dem Velosattel oder in den Bergen verbracht hätte. Auch die Familie musste gewisse Abstriche in Kauf nehmen. Zum Glück habe ich eine verständnisvolle Ehefrau, die mir den Rücken freigehalten hat!
Was wird Ihnen an der Vorstandstätigkeit fehlen?
Durch die Arbeit im Vorstand hat man ex officio in anderen Gremien wie z.B. der Ärztekammer Einsitz und ist dann immer auf dem Laufenden, was in der Schweiz im Gesundheitswesen läuft. Dieses Vernetzt- und Up-to-date-Sein wird mir sicher fehlen, und natürlich die Zusammenarbeit mit den Vorstandsmitgliedern, die sehr kollegial und angenehm war.
Welche Pläne verfolgen Sie nach Ihrem Rücktritt? Wie werden Sie die frei werdenden Ressourcen einsetzen?
Ich habe mehrere Projekte auf die lange Bank geschoben, als passionierter Handwerker habe ich da einige Ideen (lacht). Ausserdem möchte ich noch den Flugschein für Kleinflugzeuge erwerben.

Nachfolge: Dr. med. Myriam Oberle

Die Nachfolge von Dr. med. Romeo Providoli tritt Dr. med. Myriam Oberle, Hausärztin in Jenaz (Graubünden) und kantonale Fortbildungsdelegierte der SGAIM, Dozentin am Universitätsspital Zürich und Lehrpraktikerin am Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich an. Sie wird die Bedürfnisse aus der Bergregion in ihre Vorstandstätigkeit einfliessen lassen, wie sie im Interview im Online-Magazin des «Primary and Hospital Care» verrät. Lesen Sie das vollständige Interview hier: