Fortbildung

Einflüsse auf Herz-Kreislauf-System, Hormone, Immunfunktion und Psyche

Der gesundheitliche Nutzen von Schwimmen in kaltem Wasser

DOI: https://doi.org/10.4414/phc-d.2023.10702
Veröffentlichung: 05.07.2023

Katja Weissa, Pantelis T. Nikolaidisb,c, Beat Knechtlea,d

a Institut für Hausarztmedizin Universität Zürich, Zürich, Schweiz; b Exercise Physiology Laboratory, Hellenic Air Force Academy, Acharnes, Griechenland; c School of Health and Caring Sciences, University of West Attica, Athens, Griechenland; d Medbase St. Gallen Am Vadianplatz, St. Gallen, Schweiz

Schwimmen in kaltem Wasser (15 °C und kälter) wird schon seit Langem regelmässig praktiziert. Anhänger dieses Prinzips sind der Meinung, es habe sehr viele gesundheitliche Vorteile. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass Schwimmen in kaltem Wasser für den Ungeübten potenziell tödlich ist. In gewissen Situationen scheint das Schwimmen in kaltem Wasser einen positiven Effekt auf verschiedene Systeme wie das Herz-Kreislauf-System, das endokrine System, das Immunsystem und die Psyche zu haben. Einen Vorteil von Kaltwasserschwimmen auf die Gesundheit kann man nur erwarten, wenn man sich langsam an die Kälte herantastet und regelmässig im kalten Wasser schwimmt. Am besten geht ein Kaltwasserschwimmer mit den Jahreszeiten und schwimmt täglich in freien Gewässern.

Einleitung

Die ersten Beschreibungen für gesundheitliche Vorteile von Kaltwasserschwimmen stammen aus den letzten Jahrhunderten. Laut Hippokrates linderte die Wassertherapie die Mattigkeit. Thomas Jefferson benutzte sechs Jahrzehnte lang zur Erhaltung seiner Gesundheit jeden Morgen ein kaltes Fussbad. Im Jahr 1538 schrieb Wynmann das erste Schwimmbuch, um die Zahl der Ertrinkenden zu verringern. Aus dem Jahr 1750 stammt die Empfehlung, im Meer zu schwimmen und Meerwasser zu trinken, um eine Reihe von Krankheiten zu behandeln [1, 2], wobei der Winter als bester Zeitpunkt angesehen wurde. Baden am Meer erreichte im 18. Jahrhundert einen Höhepunkt, als Badeanzug und Bademaschine entwickelt wurden. Gemeinden und Badeorte basierten auf den gesundheitlichen Vorteilen des Schwimmens im Meer. Die mit diesem gesundheitlichen Nutzen verbundene Gefahr des Schwimmens führte zur Einführung der Rettungsschwimmer am Strand [3].

Anekdotische Angaben beschreiben Kaltwasserschwimmen als Mittel zur Verbesserung von Wohlbefinden und Gesundheit. Es wird angenommen, dass diese gesundheitlichen Vorteile eine Folge der physiologischen Reaktionen sind, die durch die Einwirkung von kaltem Wasser auftreten [4, 5]. Physiologische Veränderungen treten akut während dem Kaltwasserschwimmen auf, wobei wiederholtes Kaltwasserschwimmen Anpassungen entwickelt, die sich auch auf die Gesundheit auswirken können [4, 5].

Für das Kaltwasserschwimmen existiert keine strenge Definition von «kaltem Wasser». Beim Eintauchen in Wasser mit einer Temperatur von 0 bis 15 °C können verschiedene Reaktionen wie plötzliches Lufteinziehen, Hyperventilation, Tachykardie, periphere Vasokonstriktion und Blutdruckanstieg auftreten [6], die im Muster und Ausmass bei 0 °C sehr ähnlich sind wie bei 15 °C [7]. So kann kaltes Wasser als Wasser mit einer Temperatur von unter 15 °C definiert werden [8].

In nördlich gelegenen Ländern wird Kaltwasserschwimmen als Winterschwimmen regelmässig praktiziert. In Osteuropa ist Winterschwimmen ein Teil der Feierlichkeiten zum Dreikönigstag. Aus diesen Ländern stammen Feldstudien zum Verständnis des Einflusses von Kaltwasserschwimmen auf die Anpassung des Körpers an die Kälte [9], Veränderungen im Lipidstoffwechsel [10, 11], Anpassungen von hämatologischen Werten [12, 13], Effekte auf das Immunsystem [14–17] und die Hormone [18, 19] oder Aspekte der Thermoregulation [20–23].

Nutzen von Kaltwasserschwimmen

Kaltwasserschwimmen löst einen Stresszustand aus, bei dem der ganze Körper kaltem Wasser ausgesetzt ist. Kaltwasserschwimmer haben unterschiedliche Anpassungsgrade an die Kälte erreicht (Abb. 1). Es stellt sich die Frage, ob Kaltwasserschwimmen gesundheitliche Vorteile oder schädliche Auswirkungen hat.

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Abbildung 1: Der polnische Eisschwimmer Piotr Gronek beim Training (Bild mit Genehmigung des Athleten).

Bei einem erwachsenen, der Kälte ausgesetzten Menschen verzögert sich die bedeutsame oder potenziell tödliche Abnahme der Körpertemperatur durch eine Reduktion der Wärmeverlustrate, die mittels peripherer Vasokonstriktion und einer Steigerung der Wärmeproduktionsrate durch Zittern als Form der Thermogenese erfolgt [24]. Das Zittern wird durch langfristige Exposition gegenüber Kälte ausgelöst und kann Intensitäten erreichen, die ~40% des maximalen Sauerstoffverbrauchs (oder dem 5-Fachen des Ruhestoffwechsels) entsprechen [25]. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Intensität des Zitterns mit der Dauer und Schwere der Kälteexposition sowie mit den morphologischen Merkmalen der Individuen (d.h. Körperfettanteil, Oberfläche-Volumen-Verhältnis, Blutfluss) assoziiert ist [25–27]. Das für die Aufrechterhaltung der unfreiwilligen Muskelkontraktionen während des Zitterns erforderliche ATP wird durch die Oxidation von Kohlenhydraten, Lipiden und Proteinen bereitgestellt [28]. Im kalten Wasser verringert sich die Körperkerntemperatur alle 10 Minuten um etwa 1 °C [29]. Durch das Zittern erzeugte Wärme verzögert den Beginn einer kritischen Unterkühlung [30].

Kaltwasserschwimmen kann die Stresstoleranz erhöhen und eine gewisse Abhärtung bewirken [31]. Wenn das Kaltwasserschwimmen von gesunden Personen in einem regelmässigen, mit der Jahreszeit angepassten Modus praktiziert wird, kann es einen gewissen gesundheitlichen Nutzen bringen [32, 33]. Bei untrainierten Personen besteht das Risiko des Todes, entweder aufgrund der neurogenen Kälteschockreaktion, einer fortschreitenden Abnahme der Schwimmeffizienz oder einer progredienten Unterkühlung [33] (Abb. 2). Es wird eine schrittweise Strategie sowohl zum Start als auch zum Auf- und Ausbau des Aufenthalts in kaltem Wasser empfohlen, um die Akklimatisierung zu fördern und aufrechtzuerhalten, einen Schutz vor möglichen Risiken der Kaltwasserbelastung zu erzielen und die vielversprechenden gesundheitlichen Vorteile zu nutzen [32, 33].

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Abbildung 2: Symptome beim Eintauchen in kaltes Wasser nach Absinken der Körperkerntemperatur [63].

Studien liefern Hinweise auf gesundheitliche Vorteile von Kaltwasserschwimmen [34, 35]. Dabei wurden verschiedene Aspekte beschrieben (Tab. 1).

Tabelle 1: Gesundheitlicher Nutzen von Kaltwasserschwimmen.
OrgansystemEffekt
Herz-Kreislauf-SystemSenkung des Blutdrucks bei regelmässigem Training
Endokrines SystemAbnahme Triglyzeride
 Erhöhung der Insulinsensitivität
 Anstieg von Noradrenalin
 Anstieg von Cortisol
PsycheAntidepressive Wirkung
ImmunsystemAnstieg von Leukozyten
 Anstieg von Monozyten
 Weniger Infekte
Einfluss auf Herz-Kreislauf- und endokrines System

Verschiedene Hormone wie Katecholamine, Insulin, Thyreotropin (TSH), Adrenocorticotropin (ACTH) und Cortisol reagieren auf den Kältestress [18, 19, 22, 36–39].

Als eine Form von Ausdauertraining kann Kaltwasserschwimmen die Toleranz gegen Stressfaktoren erhöhen und eine Abhärtung des Körpers bewirken. In Kaltwasserschwimmern mittleren Alters wurden zu Beginn (Oktober), in der Mitte (Januar) und nach der Saison (April) Werte des Lipidstoffwechsels bestimmt. Es kam zu einer Abnahme der Triglyzeride zwischen Januar und April, einer tieferen Konzentration des Homocysteins zwischen Oktober und Januar sowie zwischen Oktober und April, wobei die Abnahme des Homocysteins bei den Frauen ausgeprägter war als bei den Männern [11].

Kaltwasserschwimmen hat einen positiven, geschlechtsspezifischen Effekt auf das Insulin [36, 40]. Kaltwasserschwimmer wurden während sechs Monaten auf Körperzusammensetzung und Insulinsensitivität untersucht. Die Schwimmer waren im Vergleich zu einer Kontrollgruppe übergewichtig und hatten einen höheren Prozentsatz an Körperfett, wobei es Unterschiede zwischen den Geschlechtern gab. Für weibliche und dünnere Schwimmer zeigte sich eine erhöhte Insulinsensitivität sowie eine reduzierte Insulinsekretion und -resistenz [40].

Schwimmen in kaltem Wasser beeinflusst auch Stresshormone wie ACTH und Katecholamine [18, 41]. Regelmässiges Winterschwimmen mit drei wöchentlichen Einheiten während 12 Wochen bei Wassertemperaturen von 0–3 °C führte zu einem Anstieg von ACTH und Cortisol sowie von Noradrenalin. Es wird angenommen, dass der Anstieg von Noradrenalin zu einer verminderten Schmerzwahrnehmung führt wie bei einer Ganzkörperkältetherapie oder beim Eisschwimmen [41].

Kaltwasserschwimmen hat einen positiven Einfluss auf kardiovaskuläre Risikofaktoren wie das Lipidprofil [10, 11, 36] und senkt den Blutdruck, wenn man es regelmässig praktiziert [42]. Für Menschen mit Herzerkrankungen stellt Schwimmen in kaltem Wasser jedoch ein potenzielles Risiko dar, da ein plötzlicher Temperaturabfall zu einer Verengung der Blutgefässe führen und somit die Arbeitsbelastung des Herzens erhöhen kann. Bei Personen, die bereits an einer Herzerkrankung leiden, führt dies möglicherweise zu einem Anstieg des Blutdrucks und der Herzfrequenz, was gefährlich sein kann [43]. Ältere Menschen sind einem höheren Risiko ausgesetzt [44]. Um gesundheitliche Probleme zu vermeiden, sollte eine Person, die in kaltem Wasser schwimmen möchte, regelmässig und mit zunehmender Häufigkeit sowie immer tieferen Temperaturen den Körper an die Kälte anpassen [45].

Einfluss auf die Psyche

Schwimmen in eiskaltem Wasser hat einen positiven Effekt auf die Psyche des Menschen [5, 46, 47] und wirkt antidepressiv [47, 48]. Regelmässiges Winterschwimmen führte bei Patientinnen und Patienten mit Rheuma, Fibromyalgie oder Asthma zu einer Verbesserung des Wohlbefindens [5]. Aufgrund des Anstiegs der Katecholamine könnte Kaltwasserschwimmen eine Behandlungsform für Depressionen sein, da es das sympathische Nervensystem aktiviert und die Konzentration von Noradrenalin und β-Endorphin erhöht [49].

Immunologische Aspekte

Winterschwimmer erkranken weniger häufig an Infektionskrankheiten als die Allgemeinbevölkerung. Die Inzidenz von Infektionskrankheiten der oberen Atemwege ist bei Winterschwimmern ~40% niedriger [16, 50]. Kaltwasserschwimmer geben an, durch regelmässiges Schwimmen im kalten Wasser weniger und mildere Infekte zu erleiden [51]. Eine Stärkung der Immunität gegen kaltes Wasser ist biologisch plausibel, denn Kaltwasserschwimmen verursacht die Freisetzung von Stresshormonen [19, 52], und ein kurzfristiger Stress wie Kälte kann das Immunsystem auf die Abwehr von Infekten vorbereiten [53].

Es gibt Hinweise, dass Schwimmen in kaltem Wasser einen Einfluss auf die immunspezifischen Hämatologieparameter hat [16, 50]. Die Untersuchung der Auswirkungen von Kaltwasserschwimmen auf Parameter des Immunsystems wie Leukozyten und Immunglobuline hat zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt, weil die Studienprotokolle von nichtgewohnten Personen, die ein kurzes Bad in eiskaltem Wasser nehmen [54], bis hin zu längerem statischem (im kalten Wasser verharren, ohne sich zu bewegen) [14] und dynamischem Kaltwasserschwimmern (erfahrene Langstreckenschwimmer, die 8 h lang trainieren) [55] sehr unterschiedlich waren.

Wenn Kaltwasserschwimmen einen positiven Effekt auf die Immunfunktion hat respektive haben sollte, so sollten sich im Verlauf eines Akklimatisierungsprogramms sowohl die Parameter des Immunsystems als auch die Gesundheit verbessern, und geübte Kaltwasserschwimmer könnten die besten Laborwerte aufweisen. Unterschiede in der Reaktion auf statisches Kaltwasserschwimmen sind möglich, da die kombinierte Wirkung der physiologischen Belastungen, die durch körperliche Betätigung und Kälte verursacht werden, die jeweilige individuelle Wirkung übersteigen kann [56]. Ein mehrwöchiges statisches Kaltwasserschwimmen veränderte sowohl die Zahl der Leukozyten als auch deren Reaktion. Diese Veränderungen waren jedoch gering und von ungewisser Bedeutung, und wiederholtes Kaltwasserschwimmen änderte die Reaktion der Immunglobuline nicht [14]. Eine andere Studie untersuchte schnelles und langsames Abkühlen und die Dauer des Aufenthaltes im kalten Wasser, wobei eine Leukozytose nur bei Menschen mit langsamer Abkühlung nachgewiesen werden konnte [15]. Die Verwendung von alternierendem Kaltwasserschwimmen und Wiedererwärmung kann auch die physiologische Reaktion komplizieren. Es scheint, dass das Ausmass der Leukozytose der Stärke des Stresses entspricht. Ein Aufenthalt von 60 Minuten in 14 °C kaltem Wasser zeigte keinen Anstieg der Neutrophilen [14], aber ein Aufenthalt von 120 Minuten in 14 °C kaltem Wasser mit periodischer Wiedererwärmung führt zu einem Anstieg von 55% [15].

Ein sogenannter Eisschwimmer, der Wettkämpfe bei Wassertemperaturen von unter 5 °C schwimmt, bleibt nur wenige Minuten im kalten Wasser, sodass er danach die sich im Körper ausbreitende Wärme gut nutzt. Untersuchungen unmittelbar vor und nach dem Zurücklegen einer Strecke von 150 m in 6 °C kaltem Wasser zeigten, dass die Leukozyten (neutrophile Granulozyten, Lymphozyten und Monozyten) im Blut durch die Kälte signifikant zunahmen, sodass ein Schutz vor Entzündungen respektive Infekten gegeben sein kann [50]. In einer anderen Studie zeigte sich ein Anstieg von Leuko- und Monozyten, was als Zeichen einer Verbesserung der Körperantwort auf Stress gewertet wurde [16].

Eine kurzfristige Leukozytose entsteht durch Leukozyten, die als Reaktion auf den Anstieg von Katecholaminen und Cortisol Organe wie die Milz verlassen, um für die Abwehr vorbereitet zu sein [53]; sie werden im Blut an Orte übertragen, an denen ein Infekt möglich ist. Der wohl wichtigste Teil dieser kurzfristigen Reaktion ist eine nachfolgende Abnahme der Leukozyten im Blut, wenn sie in Gewebe wie die Haut gelangen [53]. Monozyten und Neutrophile migrieren als Reaktion auf eine Konzentration an Cortisol, die der bei akutem Stress freigesetzten entspricht [57]. Bei trainierten Kaltwasserschwimmern lag eine höhere Konzentration gewisser Leukozyten vor als bei nicht an Kälte gewöhnten Menschen [54]. Bei erfahrenen Langstreckenschwimmern führte eine schwere Trainingsbelastung zu einer leichten Reduktion der Leukozyten sowie zu einer Abnahme der Konzentration der Serumimmunglobuline und des IgA im Speichel (sIgA) [55].

Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Ausmass eines Stresses und der Konzentration der Leukozyten [50, 53]. Langstreckenschwimmer zeigten nach einer Stunde Schwimmen in kaltem Wasser keine signifikante Veränderung der Neutrophilen, aber nach zwei Stunden waren die Zahlen um ~50% angestiegen, mit einer Vervierfachung nach acht Stunden [55]. Nicht-akklimatisierte Schwimmer zeigten die schnellste Reaktion mit einer um 38% erhöhten Zahl an Neutrophilen nach einem Schwimmwettkampf über 150 m [50]. Diese Studien zeigen höhere Leukozytenzahlen bei Kaltwasserschwimmern, aber auch hier ist nicht bekannt, ob diese höheren Zahlen im Körper oder eine Umverteilung zwischen verschiedenen Geweben widerspiegeln. Der Grad der Gewöhnung an das kalte Wasser dürfte auch entscheidend sein [50, 55].

Infekte der oberen Luftwege

Die Infekte der oberen Atemwege sind ein nützliches Mass für die in-vivo-Immunfunktion, da es sich um einen sehr häufigen Infekt handelt [58]. Bei regelmässigen Eisschwimmern gaben 40% an, weniger, leichtere und kürzere Infekte der oberen Luftwege zu erleiden als vor dem Beginn mit dem Eisschwimmen [51], und Kaltwasserschwimmer hatten weniger Erkältungen als ihre Partner [59].

Trotz der wiederholten Behauptungen zu den Vorteilen des Schwimmens in kaltem Wasser ist es auch möglich, dass es schädlich sein kann. Collier et al. [59] stellten Trends für positive Korrelationen zwischen Kaltwasserexposition und Prävalenz wie Schwere der Infekte der oberen Luftwege zusammen. Während eine kurzfristige Exposition (Stress) im kalten Wasser durchaus die Aktivität des Immunsystems verbessern konnte, führe eine wiederholte Exposition zu einer Einschränkung des Immunsystems. Kurzfristiger Stress wird über eine Dauer von Minuten bis Stunden definiert, chronischer Stress als stundenlang, täglich, wochen- oder monatelang [53]. Häufiges Schwimmen in kaltem Wasser und anhaltendes Zittern während und nach dem Schwimmen kann in die letztere Kategorie fallen.

Regelmässige Winterschwimmer weisen abnorme Schwankungen der Cortisol-Konzentration auf [60]. Ein längerer Stress kann zu einer Fehlregulation des täglichen Cortisol-Zyklus und zu einer unterdrückten Immunantwort führen [53]. Sowohl das Einatmen von kalter Luft als auch das Abkühlen der Körperoberfläche erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Infektes der oberen Luftwege, was teilweise auf eine Vasokonstriktion in der Nase zurückzuführen ist [61]. Die Trainingsintensität kann ebenfalls relevant sein. Training bei 80% des Maximums hat möglicherweise eine Apoptose der Lymphozyten zur Folge [62]. Der gestörte tägliche Cortisol-Rhythmus legt nahe, dass ein übermässiger Kontakt mit Kälte zu einem anhaltenden physiologischen Stress und dies wiederum zu einer Immunsuppression führen könnte [60].

Zusammenfassung

Für den geübten Kaltwasserschwimmer zeigt sich ein gewisser gesundheitlicher Vorteil. Regelmässiges Schwimmtraining in kaltem Wasser scheint einen positiven Effekt auf verschiedene Systeme wie das kardiovaskuläre und das endokrine System, das Immunsystem und die Psyche zu haben. Einen Vorteil von Kaltwasserschwimmen für die Gesundheit kann man nur erwarten, wenn man sich langsam an die Kälte herantastet; am besten geht man mit den Jahreszeiten und schwimmt täglich in freien Gewässern. Der nicht-geübte Kaltwasserschwimmer kann bei dieser Angewöhnung mit einer Verbesserung des Immunsystems rechnen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Beat Knechtle

Facharzt FMH für Allgemeinmedizin

Medbase St. Gallen Am Vadianplatz

Vadianstrasse 26

CH-9001 St. Gallen

beat.knechtle[at]hispeed.ch

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