Editorial

The times, they are a-changing (Bob Dylan)

DOI: https://doi.org/10.4414/phc-d.2023.10723
Veröffentlichung: 02.08.2023

Marc Müller

Affiliations sind für diesen Artikel im PDF verfügbar.

Oder: Wir Alten sind schuld!

Die Älteren unter den Lesenden erinnern sich vielleicht an die Zeit, als der ehemalige SGAM-Präsident Hansueli Späth und ich uns in den Editorials von Primary Care gegenseitig mit Bob-Dylan-Titeln über unseren Editorials zu übertrumpfen versuchten.

Die Kolumne von Martin Fey (pro 80-Stunden-Woche) und die Replik des VSAO-Präsidenten Angelo Barrile (pro partnerschaftliche Arbeitsmodelle) haben mich nun herausgefordert, nach Jahren nochmals für ein Editorial in die Tasten zu greifen.

Wir Alten sind nämlich schuld an der aktuellen Misere in der hausärztlichen Versorgung:

Wir wussten, dass der Mangel an Hausärztinnen und -ärzten kommt und haben es auch bei jeder Gelegenheit den Vertreterinnen und Vertretern der Politik um die Ohren gehauen – aber offenbar nicht laut und nicht oft genug.

Wir haben die Situation der Grundversorgenden mit einem Verfassungsartikel massiv verbessert – aber offenbar nicht attraktiv genug.

Wir haben unsere Praxen zu teilzeit-freundlichen Ärztezentren umfunktioniert – aber offenbar nicht immer an den richtigen Orten, die Peripherie bleibt auf der Strecke.

Wir versuchen, durch Praxisassistenz dem glücklicherweise zahlreicheren Nachwuchs unseren Beruf schmackhaft zu machen – aber offenbar nicht schmackhaft genug.

Wir lösen gegen neunzig Prozent der gesundheitlichen (und auch der sonstigen) Probleme unserer Patientinnen und Patienten direkt in unseren Praxen – aber das ist offenbar nicht genug.

Wir harren auch über das Pensionsalter in unseren Praxen aus, oftmals auf Kosten unserer Partnerinnen und Partner – offenbar nicht lang genug.

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Marc Müller

Past-Präsident und

Ehrenmitglied mfe

Aber unser schlimmster Fehler ist, dass wir durch unser Ausharren krampfhaft versuchen, ein Gesundheitssystem am Leben zu erhalten, das sofort kollabieren würde, wenn die 15 oder bald schon 20% der Hausärztinnen und -ärzte jenseits des Pensionsalters nicht mehr arbeiten würden.

Liebe Senior-Hausärztinnen und -ärzte: Wir sind dem Wandel im Weg, wir sind schuld, dass sich die ambulante Gesundheitsversorgung nicht erneuert, weil wir nicht loslassen können und wollen. Weil uns das Vertrauen fehlt, dass unsere Nachfolgerinnen und Nachfolger einen Weg finden werden, mit einem besseren, auf ihre Bedürfnisse angepassten Grundversorgungsmodell die Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung zu übernehmen und sicherzustellen – innovativ, interprofessionell, anders!

Lassen wir los: The times, they are a-changing!

Korrespondenzadresse

Sandra Hügli-Jost

Kommunikationsbeauftragte

mfe Haus- und Kinderärzte

SchweizGeschäftsstelleEffingerstrasse 2CH-3011 Bern

Sandra.Huegli[at]hausaerzteschweiz.ch

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