Evaluation eines Pilotprojekts

Blended-Learning-Basiskurs ­Sonografie in der Weiterbildung

Lehre
Édition
2022/12
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-f.2022.10477
Prim Hosp Care Med Int Gen. 2022;22(12):361-363

Affiliations
a Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM), Universität Bern; b Klinik für Allgemeine Innere und Notfallmedizin, Bürgerspital Solothurn

Publié le 07.12.2022

Der studentische Basiskurs Sonografie im Blended-Learning-Format wurde als Pilotprojekt in Solothurn von 15 Assistenzärztinnen und -ärzten von November 2020 bis Juni 2021 erfolgreich absolviert. Der Kurs erstreckte sich über 6 Monate und bestand aus E-Learning-Lektionen und praktischen Übungsstunden in Kleingruppen. Zur Evaluation des Kurses wurden die Erfahrungen der Teilnehmenden und Tutorinnen und Tutoren mit Interviews erfasst und die Prüfungsresultate ausgewertet.

Hintergrund

Die diagnostische Sonografie hat sich in den letzten Jahren zu einem breit eingesetzten Werkzeug beinahe aller ärztlichen Fachgruppen entwickelt und mit der Formulierung eines Lernziels im Schweizer Lernzielkatalog PROFILES Einzug ins Medizin-Curriculum gefunden [1, 2].
Das Ausbildungsprogramm, das durch die SGUM (Schweizerische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) verwaltet wird, beinhaltet Präsenzkurse, die an verschiedenen Standorten in der Schweiz individuell von Kursleitern organisiert werden, sowie eine festgelegte Anzahl supervidierter Untersuchungen [3].
Den Einstieg bildet der Grundkurs, der 21 Stunden Ausbildung an 3 aufeinanderfolgenden Tagen beinhaltet und jährlich von circa 700 Ärztinnen und Ärzten absolviert wird. Das Angebot an Kursplätzen ist begrenzt und hält aktuell der immer grösser werdenden Nachfrage nicht stand. Neben dem Kapazitätsmangel ist aus didaktischer Perspektive zudem die hohe Lerndichte an den 3 Tagen suboptimal. Die Verteilung der gleichen Anzahl Stunden über eine Zeitdauer von Wochen bis Monaten würde ein besseres Lernergebnis erwarten lassen[4, 5].
Basierend auf einem ähnlichen Programm in der studentischen Ausbildung[6] wurde für dieses Projekt der Grundkurs Abdomen in 5 Stunden E-Learning und 16 Stunden praktische Untersuchung aufgeteilt. Das E-Learning wurde dabei im Selbststudium absolviert und die praktische Untersuchung in Gruppen von maximal 4 Teilnehmenden in 16 Einzelstunden verteilt über mehrere Monate unterrichtet. Der Programmabschluss erfolgte in Bern mittels OSCE, einer standardisierten Prüfung, die 2019 für Studierende entwickelt wurde [6].
Bisher gibt es keine Erfahrung darüber, ob ein solches Format auch in die Assistenzarztweiterbildung integriert werden kann und welche Auswirkungen es auf den Klinikalltag hat. Ziel dieser Arbeit ist die Beschreibung und Evaluation eines Pilotprojekts im Spital Solothurn, das mit einer einmaligen Ausnahmebewilligung der Sektion AIM der SGUM durchgeführt und als Grundkurs akkreditiert wurde.

Ablauf

Im Bürgerspital Solothurn wurde der Basiskurs Sonografie von Herbst 2020 bis Sommer 2021 mit 15 Assistenzärztinnen und -ärzten durchgeführt. Im Anschluss wurden 4 Teilnehmende sowie 1 Tutor mit leitfadengestützten Telefoninterviews zum Kurs befragt, um die wichtigsten Hilfen und Hindernisse bei der Implementierung der Ausbildungsstruktur zu erfassen. Zudem wurden die Prüfungsresultate der teilnehmenden Assistenzärztinnen und -ärzte analysiert.

Resultate

Den Kurs starteten 15 Ärztinnen und Ärzte der Inneren Medizin im November 2020. Davon hatten 7 bereits einen Abdomen-Grundkurs im Vorfeld absolviert. Es schlossen 5 Teilnehmende den Kurs im Februar 2021, 10 Teilnehmende im Juli 2021 mit dem OSCE ab. Alle 15 Teilnehmenden absolvierten den Kurs vollständig und bestanden die Abschlussprüfung. Die durchschnittliche im OSCE erzielte Punktzahl der Assistenzärztinnen und -ärzte war verglichen mit derjenigen der Studierenden, die am selben Tag die Prüfung absolvierten (N = 175), etwas tiefer, bei einer kleinen Gruppengrösse allerdings nicht statistisch signifikant (mittlere Punktzahl 228 versus 241, P = 0.055). Am Programm beteiligt waren 9 Tutorinnen und Tutoren, die zusammen 66 Lektionen abhielten.
Abbildung 1: Emanuel Plüss (links im Bild) mit Assistenzärzten während einer Übungsstunde.

Lernerfolg und Perzeption der Teilnehmenden

Alle befragten Teilnehmenden, auch diejenigen, die den Grundkurs bereits absolviert hatten, gaben an, dass sie vor Durchführung des Kurses keinen strukturierten, kompletten Untersuchungsgang des Abdomens beherrschten. Deswegen fühlten sie sich nicht kompetent genug, eine Untersuchung mit anschliessender Supervision selbstständig zu beginnen. Dies sei auch der Grund, weshalb diejenigen, die den Grundkurs bereits absolviert hatten, ihrer Ansicht nach zu selten sonografierten. Die meisten vor dem Kurs durchgeführten Untersuchungen der Teilnehmenden waren mit einer gezielten Fragestellung auf ein Organ bezogen. Oft genannt wurde hier die Nierensonografie zum Ausschluss einer Harnstauung oder die Gallenblasensonografie mit der Frage nach Konkrementen oder Cholezystitis.
Befragt zu den Erwartungen an den Kurs vor Beginn gaben die Teilnehmenden an, dass sie am Ende die nötigen Werkzeuge zusammenhaben wollten, um eine komplette Abdomenuntersuchung sicher und mit gutem Gefühl durchführen zu können. Diese Erwartungen an den Kurs und den eigenen Fortschritt wurden bei allen Befragten erfüllt. Besonders geschätzt wurden die Videos des E-Learnings, wie von einer Teilnehmerin beschrieben: «Die Videos des E-Learnings, in denen man gleichzeitig das Ultraschallbild und den aufliegenden Schallkopf sieht, sind extrem gut und helfen einem sehr. Dies vermittelt kein Lehrbuch so effizient.» Weiter wurde angegeben, dass ein Untersuchungsstandard, so klar wie er im E-Learning durch die Videos vermittelt wird, für Gruppenlektionen sehr hilfreich ist, da alle den gleichen Ablauf und dieselbe Technik kennen.
Auf die Frage, wie die Kursdauer und die Dichte des Programmes empfunden wurden, antwortete eine Teilnehmerin: «Ich fand es sehr angenehm, dass man sich die Theorie portionsweise anschauen und bei Bedarf beliebig repetieren kann. Ich finde das so sinnvoller, als wenn alles an einem Wochenende absolviert wird.» Die Länge des Kurses von 3 bis 6 Monaten würde niemand unter den Befragten ändern wollen.

Organisatorische Aspekte

Die Koordination erfolgte durch eine Person aus dem Sekretariat, die für die Terminfindung, Raumreservation und Ausschreibung der Übungslektionen über SharePoint® verantwortlich war. Jeweils einen Tag vor der Lektion wurde ein Reminder per E-Mail an alle Teilnehmenden verschickt. Eine Lektion wurde durchgeführt, wenn sich bis am Vortag mindestens 3 Teilnehmende eingeschrieben hatten. Gegen Ende des Kurses mussten einzelne Lektionen auch mit nur 2 Teilnehmenden durchgeführt werden, da es bei weniger Teilnehmenden mit den Lektionsthemen nicht mehr ganz aufging. Die Terminfindung gestaltete sich teilweise etwas schwierig, da sowohl Ärztinnen und Ärzte, die auf der Station eingeteilt waren, wie auch solche von der Notfallstation, die im Schichtbetrieb arbeiteten, teilnahmen und diese entsprechend unterschiedliche Präferenzen hatten.
Die Anzahl von 1 bis 2 Lektionen pro Woche und die Gesamtdauer des Kurses (3–6 Monate) wurden von den Befragten als optimal empfunden. Bei den Teilnehmenden, die zur Zeit des Kurses auf der Bettenstation eingeteilt waren, wurde der zeitliche Aufwand als gering angegeben, und der Kurs führte zu keiner vermehrten Überzeit. Die Ärztinnen und Ärzte der Notfallstation gaben an, dass sie einen Teil der Lektionen in ihrer Freizeit absolvieren mussten, um bis zum Ende alle Lektionen besucht zu haben.

Effekt und Resonanz auf die Klinik

Der Kurs stiess auf grosses Interesse sowohl von Seiten der Teilnehmenden wie auch der Tutorinnen und Tutoren. Es traten keine relevanten Probleme auf, die zu Programmabbrüchen geführt hätten. Bereits vor Einführung genoss die Sonografie auf der Inneren Medizin in Solothurn unter anderem durch die Ultraschall-Sprechstunde einen hohen Stellenwert. Dies hat sich gemäss den Teilnehmenden mit Durchführung des Kurses nicht relevant verändert. Jedoch gaben einige der Befragten an, dass sich ihre eigene Bereitschaft und Motivation regelmässig zu schallen, durch den Kurs mit Verbesserung ihrer Fähigkeiten gesteigert hat. Alle Befragten gaben an, dass sie den Kurs vorbehaltlos anderen Assistenzärztinnen und -ärzten weiterempfehlen würden.

Diskussion und Schlussfolgerung

Mit Erfolg konnte der Blended-Learning-Basiskurs erstmals an einer Klinik mit Assistenzärzten durchgeführt werden. Alle 15 Teilnehmenden schlossen erfolgreich ab, erreichten aber im Schnitt verglichen mit den Studierenden etwas weniger Punkte. Die Gründe dafür können nur vermutet werden. Einerseits ist es denkbar, dass die Tutorinnen und Tutoren der Assistenzärztinnen und -ärzte weniger vertraut mit den Lernzielen waren als die studentischen Peer-Tutorinnen und -Tutoren. Anderseits könnte es auch damit zu tun haben, dass diejenigen die den Grundkurs bereits hatten, etwas weniger Motivation und Lerndruck für die Abschlussprüfung verspürten.
Neben dem breiten Interesse der Ärztinnen und Ärzte an einer strukturierten Ultraschallausbildung fiel in diesem Pilotprojekt auch auf, dass sich in einem geeigneten Umfeld problemlos Fachkräfte für den Ultraschallunterricht motivieren lassen. In Solothurn konnten nebst den internistischen Spital-Fachärztinnen und -ärzten auch Fachpersonen aus den Gebieten Gastroenterologie, Hepatologie, Nephrologie und Angiologie zur Unterstützung gewonnen werden. Die Diversität der Tutorinnen und Tutoren wurde von den Teilnehmenden als grosser Gewinn beschrieben. Die Fachärztinnen und -ärzte nahmen die Zusatzbelastung als akzeptablen Aufwand wahr und wären auch weiterhin bereit, sich an dieser Ausbildung zu beteiligen.
Vorderhand beschränkt sich die Durchführung dieses Kurskonzepts im Bereich der Weiterbildung auf diesen Pilotversuch in Solothurn. Inwiefern solche oder ähnliche Programme in Zukunft von der SGUM akkreditiert und unterstützt werden, untersteht der Zuständigkeit der entsprechenden Weiterbildungskommission und ist nicht der Fokus dieses Artikels. Dadurch, dass sich der Beginn der Ultraschallausbildung vorverlagert und immer mehr Studierende den Abdomen-Grundkurs bereits während des Studiums absolvieren, wird die Nachfrage bei den Assistenzärztinnen und -ärzten nach Grundkursplätzen nachlassen. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass der Bedarf an Ausbildungsstrukturen an den Weiterbildungsstätten abnehmen wird – im Gegenteil. Es muss umso mehr ein Angebot geschaffen werden, das eine Weiterführung der Ausbildung auf hohem Niveau mit regelmässigem Schallen unter Supervision und Austausch mit Tutorinnen und Tutoren ermöglicht – insbesondere auch zum Erreichen der für den Fähigkeitsausweis geforderten supervidierten Untersuchungen. Dies im vielbeschäftigten Klinikalltag umzusetzen, ist aber eine grosse Herausforderung und kann nur gelingen, wenn Strukturen geschaffen werden, die durch gute Organisation eine optimale Nutzung der klinikinternen Ressourcen garantieren.
Mathias Balmer, M.D.
Researcher, BIHAM
Mittelstrasse 43
CH-3012 Bern
mathias.balmer[at]biham.unibe.ch
1 Michaud PA, Jucker-Kupper P. Principal Relevant Objectives and Framework for Integrated Learning and Education in Switzerland (PROFILES). 2017:34.
2 ACEP ACoEP. Ultrasound Guidelines: Emergency, Point-of-Care and Clinical Ultrasound Guidelines in Medicine. Ann Emerg Med. 2017;69(5):e27–e54.
3 SIWF SIfrarW-auF. Fähigkeitsprogramm Sonographie. Bern: SIWF website, siwf.
4 Cepeda NJ, Coburn N, Rohrer D, Wixted JT, Mozer MC, Pashler H. Optimizing distributed practice: theoretical analysis and practical implications. Exp Psychol. 2009;56(4):236–46. doi:10.1027/1618-3169.56.4.236
5 Cepeda NJ, Vul E, Rohrer D, Wixted JT, Pashler H. Spacing effects in learning: a temporal ridgeline of optimal retention. Psychol Sci. 2008;19(11):1095–1102. doi:10.1111/j.1467-9280.2008.02209.x
6 Vetsch A, Berendonk C, Hari R. Reliabilität und Durchführbarkeit einer Ultraschallprüfung für Studierende in der Schweiz. Prim Hosp Care. 2020;20(10):297–300. doi:10.4414/phc-d.2020.10247