How to find more GPs? - Ein Workshop-Bericht
Ein Workshop-Bericht

How to find more GPs? - Ein Workshop-Bericht

Reflektieren
Édition
2017/15
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-f.2017.01392
Prim Hosp Care (fr). 2017;17(15):299-300

Affiliations
a Careum Forschung, Forschungsinstitut Kalaidos Fachhochschule Gesundheit & Institut für Hausarztmedizin, Universität Zürich; b Institut für Bio- und Medizinethik (IBMB), Universität Basel; c Universitäres Zentrum für Hausarztmedizin beider Basel (uniham-bb), Kantonsspital Baselland, Liestal

Publié le 16.08.2017

Im Rahmen des Baslers SUK-Programms P-10 fand der Workshop «How to find more GPs? – The influence of admissions policies and motivation during undergraduate studies» statt. Eingeladen waren dazu internationale Experten aus Grossbritannien, den Niederlanden und der Schweiz. Ziel war es zu diskutieren, inwieweit die Zulassungsbedingungen zum Medizinstudium einen Einfluss auf ein Interesse an Hausarztmedizin haben können und wie das Interesse für Hausarztmedizin ­unter den Studierenden erhöht werden kann.
Hausärzte nehmen im Schweizer Gesundheitssystem eine wichtige Rolle ein [1]. Sie sind meist der erste Ansprechpartner, wenn medizinische Probleme auftreten [2, 3]. Etwa 90% aller Behandlungen nehmen die Hausärzte allein vor, nur bei 10% bedarf es der Überweisung an einen Facharzt oder in ein Spital. Zukünftig wird ­jedoch trotz dieser positiven Bilanz mit einigen Ver­änderungen zu rechnen sein. Bereits 2011 waren 48,3% der praktizierenden Hausärzte 55 Jahre und älter [4, 5]. Mittlerweile haben nun auch die jüngsten aus dieser Gruppe das Pensionsalter erreicht. Gleichzeitig interessieren sich Medizinstudierende nur wenig für Hausarztmedizin [6]. Ein Mangel an Hausärzten zeichnet sich daher immer deutlicher ab und zukünftige Hausärzte werden dringend gesucht.
Im Basler Teil des SUK(Schweizerische Universitäts­konferenz, jetzt Schweizerische Hochschulkonferenz)-Programmes «Konsolidierung von Lehre und Forschung im Bereich Grundversorgung/Hausarztmedizin» wird daher seit 2013 erforscht, wie die Lehre im Bereich Hausarztmedizin ­attraktiver gestaltet werden kann [7]. Zu diesem Zweck bereiste Corinna Jung Länder, in ­denen diese Ausbildung als vorbildlich gilt, und verbrachte 2014–2015 ­jeweils sechs Monate in Grosbritannien (GB) und den Niederlanden (NL). Insgesamt besuchte sie 15 medizinische Fakultäten und führte mehr als 60 Interviews mit Experten für Lehre, Aufnahmeverfahren und Hausarztmedizin. Als ein Ergebnis ­dieses Aufenthaltes wurde der vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Freiwillige Akademischen Gemeinschaft Basel (FAG) finanzierte Workshop in ­Basel organisiert.

Das Workshop-Programm

Der Workshop begann mit der Begrüssung durch Organisatorin Corinna Jung, ­Studiendekan Stephan Marsch und Vorsteher des Universitären Zentrums für Hausarztmedizin beider Basel (uniham-bb) Andreas Zeller. Zeller präsentierte gleich zu Beginn aktuelle Trends und Wünsche von Basler Medizinstudierenden und jungen Hausärzten. Er führte so insbesondere die internationalen Gäste in die derzeitige Schweizer Situation ein. Zeller zeigte, dass sich auch hier der Trend vom Modell der Einzelpraxen wegbewegt. Die jüngere Generation der Hausärzte wünscht sich für ihre Zukunft vor­wiegend Zweier- oder Gruppenpraxen. Auch wollen sie ­weniger Vollzeit arbeiten. Sowohl Frauen als auch Männer wünschen sich ein geringeres Arbeits­pensum von im Durchschnitt 70% – hier zeichnen sich weitere Herausforderungen für die Grundversorgung ab.

Aufnahmeverfahren für das Medizinstudium

Der nächste Tag widmete sich den Aufnahmeverfahren in GB, den NL und der Schweiz. Adrian Husbands, Leiter für Zulassungsverfahren an der University of Buckingham, erläuterte die in GB immer häufiger eingesetzten Multiple-Mini-Interviews (MMIs), ein Aufnahmeverfahren mit verschiedenen Stationen, das neben kognitiven Fähigkeiten auch Sozialkompetenzen mit in die Bewertung aufnimmt. So müssen potenzielle Medizinstudierende etwa mit Schauspielpatienten schwierige Situationen durchspielen und dabei Empathie und Stressresistenz unter Beweis stellen.
Danach präsentierte Anouk Wouters, Doktorandin im Bereich Medical Education der Vrije Universiteit Medical Center (VUMC) Amsterdam, die Folien von Janke Cohen-Schotanus, der Leiterin des Zentrums für Innovation und Forschung der Universität Groningen, die aus Krankheitsgründen verhindert war. Das Besondere am Groninger Aufnahmeverfahren ist, dass die Studierenden vor Beginn ihres Studiums einen von vier Bereichen – Global Health, Endurable Care, Intramural Care und Molecular Medicine – als Schwerpunkt wählen müssen. Diese Wahl müssen sie, neben weiteren kognitiven Tests, in einem Essay schriftlich begründen, Artikel dazu recherchieren und Interviews führen. Benjamin Spicher vom Zentrum für Testentwicklung und Diagnostik in Fribourg präsentierte schliesslich den Schweizer Eignungstest. Dieser Test zielt in erster Linie darauf ab, qualifizierte Bewerber zu finden, die ein Medizinstudium erfolgreich abschliessen können. Sozialkompetenzen werden dabei nicht berücksichtigt. Eine Ergänzung des Tests in diese Richtung wäre zwar ­wünschenswert, ist aber schwer umsetzbar.
Herausgearbeitet wurde in den Diskussionen zu den verschiedenen Aufnahmeverfahren vor allem die Frage, zu welchem Zweck solche Verfahren durchgeführt werden sollten. Die Teilnehmenden einigten sich darauf, dass insbesondere «gute» zukünftige Ärztinnen und Ärzte ausgewählt werden sollten. Dies wiederum warf die nächste Frage auf, wer denn als guter Arzt zu bezeichnen sei. Die Teilnehmenden stimmten überein, dass bei potentiellen Medizinstudierenden neben kognitiven Kompetenzen auch eine Berücksichtigung der sogenannten Social Skills wünschenswert wäre. Jedoch sollten diese eher als «essential» oder «sophisticated» Skills bezeichnet werden, um ihre Bedeutung stärker hervorzuheben. MMIs können hier bereits einen Beitrag leisten. Sie sind aber noch verbesserungswürdig, da sich in GB eine Diskriminierung nichtweisser, männlicher Bewerber abzuzeichnen scheint.

Wie kann das Interesse an Hausarztmedizin erhöht werden?

Am folgenden Tag stand die Frage im Vordergrund, wie das Interesse an Hausarztmedizin während des Medizinstudiums erhöht werden kann. John Mellor, selbst Hausarzt und Programmdirektor für die hausarzt­medizinische Ausbildung in Corby, GB, stellte das Konzept der sogenannten Primary Care Academies vor. Dies wurde gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät der Universität Leicester entwickelt und bringt Medizinstudierende für mehrere Wochen in einer grossen Hausarztpraxis unter. Die Studierenden nehmen am Vormittag am Praxisalltag teil und erhalten am Nachmittag theoretischen Unterricht von den dort arbeitenden Hausärzten. Auf diese Weise gelingt ihnen ein guter Einblick in die hausärztliche Praxis und sie ­lernen unterschiedliche Arbeitsstile kennen. Mellor berichtete vom grossen Erfolg des Pilotprojekts.
Im Anschluss stellte Rashmi Kursurkar, Leiterin der Abteilung Research in Education von der VUMC Amsterdam, ihren motivationstheoretischen Ansatz vor. Sie erläuterte die Vorzüge intrinsischer Motivation – Engagement für ein Thema aus Freude oder genuinem Interesse –, die Studienabbrüchen vorbeugen kann.
Die Session zur Schweizer Lehr-Situation leitete Adrian Göldlin vom Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) mit einem Beitrag zum Berner Lehrkonzept ein. Göldlin erläuterte, dass Studierende in Bern bereits im ersten Studienjahr Zeit in einer Hausarztpraxis verbringen. Dieser frühe Kontakt wird dann durch mehrere Studienjahre hinweg fortgesetzt und ausgebaut. Auch die anderen Institute für Hausarztmedizin waren mit Beiträgen von Thomas Bischoff, Leiter des Institut universitaire de médecine générale Lausanne, Andreas Zeller vom uniham-bb, Elisabeth Bandi-Ott vom Institut für Hausarztmedizin Zürich und Eva Pfarrwaller von der unité de médecine de premier recours in Genf vertreten.

Workshop-Ergebnisse

Die intensiven Diskussionen der knapp 30 Teilnehmenden des Workshops brachten viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige Unterschiede bei der medizinischen Ausbildung zutage: Schwierigkeiten, die für den Arztberuf geeignetsten Studierenden auszuwählen, finden sich in allen drei Ländern. Während man jedoch in GB und NL versucht, mehr als nur kognitive Fähigkeiten in das Aufnahmeverfahren einzubeziehen, ist dies in der Schweiz noch nicht der Fall.
Bezüglich der Lehre war man sich einig, dass der Kontakt zur Hausarztmedizin möglichst früh im Studium stattfinden sollte, um das Interesse der Studierenden zu wecken. Am besten sollte die Hausarztmedizin durchgängig bis ins letzte Studienjahr im Lehrplan vertreten sein. Auch sollten Hausärzte unbedingt als solche wahrgenommen werden. So können sich Studierende mit ihnen besser identifizieren. Modelle wie die Primary Care Academy wurden als sehr positiv bewertet. Für eine Umsetzung eines solchen Modells in der Schweiz müssten aber einige Änderungen vorgenommen werden. Insbesondere wären dafür grössere Gruppenpraxen oder Gesundheitszentren hilfreich, um Studierende entsprechend betreuen zu können.
Insgesamt wurde der Workshop von den Teilnehmenden als sehr positiv beurteilt. Die meisten begrüssten explizit die Möglichkeit zum internationalen Austausch und nahmen viele Anregungen mit nach Hause. Nun bleibt zu hoffen, dass die Diskussionen in Zukunft Nachwirkungen haben.
Dr. phil. Corinna Jung, MA
Universität Basel
c/o IBMB
Bernoullistrasse 28
CH-4056 Basel
corinna.jung[at]careum.ch