Spuren im Schnee – Zum Tod von Bruno Durrer

Spuren im Schnee – Zum Tod von Bruno Durrer

Reflektieren
Édition
2017/01
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-f.2017.01476
Prim Hosp Care (fr). 2017;17(01):24

Publié le 11.01.2017

Es lag wohl an diesen schweren Bergschuhen. Er trug sie überall. In der Vorlesung, am Kongress, auf Haus­besuch, sogar im Ausgang mit seiner Frau. Sie machten seine Schritte so behäbig, breit und sicher. Dieses Behäbige, Breite und Sichere schien sich in seiner ganzen Erscheinung auszubreiten. Bruno, ein Bär von einem Mann.
Mit diesen schweren Bergschuhen stapfte er durch den Hörsaal, referierte über heroische Bergrettungen und hinterliess seine Spuren in den Köpfen von uns jungen Studenten. Bruno Durrer – Held der Lüfte.
Die Studierenden von Bern kannten ihn aus der Höhenmedizin-Vorlesung, in der er mitreissend von seiner Arbeit als Hausarzt in den Alpen berichtet hat. Er, der ­unter den Studierenden oft als «Hausarzt mit eigenem Heli» bezeichnet wurde, verstand es, immer ­einen pragmatischen, einen hausärztlichen Ansatz zu vermitteln. Fentanyl-Nasenspray, so haben wir gelernt, ­gehört in jeden Wanderrucksack. Weil es Leid lindert, und weil es nie schief geht. Dann stapfte er davon, zurück in seine Bergpraxis im Lauterbrunnental, wo der immer gepackte Bergrucksack auf ihn wartete. Und wir, fasziniert von diesem «Haudegen», ­folgten ihm. Vielleicht mit der leisen Hoffnung, auch einmal eine Runde mit dem Helikopter mitfliegen zu ­dürfen.
Diejenigen, die das grosse Privileg hatten, als Student oder Assistent bei Bruno Durrer in der Praxis zu arbeiten, sahen tagtäglich, wie viel Verbundenheit und Nähe er zu seinen Patienten hatte. Er, der so nahe bei den Menschen war, dass es für ihn selbstverständlich war, eine Patientin aus einem abgelegenen Hof nicht zweimal pro Woche zur Dialyse ins Zentrumsspital zu schicken. In einem unglaublichen Aufwand wurde eine Heimdialyse im Stall eingerichtet.
Er war derjenige, der sich schützend vor seine Patienten stellte und auch mal eine Chemotherapie absagen konnte, wenn sie denn keine Lebensqualität mehr brachte – egal, was der Experte aus dem Unterland dazu meinte. Er war es gewohnt, sich gegen den stürmischen Westwind zu stemmen. Bruno, der Unbeugsame.
Unzählige junge Ärzte sind in all den Jahren im Dokterhuus ein- und ausgegangen. Unter der Anleitung dieses unerschrockenen Mannes haben sie Schultern ­eingerenkt, Wunden versorgt und Glieder gegipst. Sie haben sich den Schnee von ihren Schuhen geklopft, um in schlecht beleuchteten Bauernstuben Blasen­katheter zu wechseln. Unzählige dieser jungen Ärzte ­entdeckten auf der Suche nach Abenteuer in diesem stotzigen Tal das, was ihr Berufsleben in Zukunft prägen sollte: Die Liebe zur Hausarztmedizin.
Nun endet Deine Spur, lieber Bruno. Tiefe, grosse Fusstapfen im Schnee. Wer soll hineintreten in diese riesigen Stapfen?
Es birgt eine gewisse Ironie, wenn einer der ausgewiesensten Spezialisten der Höhenrettung und alpinen Medizin nach einem Tauchgang im Meer verstirbt. Man kann sich gut vorstellen, wie dein Mundwinkel bei diesem Gedanken gezuckt hätte.
Du wirst als Bergretter in die Geschichte eingehen. Uns bleibst du ausserdem als grossartiger Lehrmeister und Mentor in Erinnerung. Du hast Hausarztmedizin als Selbstverständlichkeit gelebt. Hausarztmedizin, die sich etwas traut.
Lieber Bruno, für Dein Engagement in der Ausbildung einer neuen Generation von Hausärzten, für Deine ­Inspiration und Deine Vorbildfunktion danken wir Dir und wünschen Dir einen guten letzten Flug.
Gabriela Rohrer, Manuel Schaub,
im Namen der jungen Hausärztinnen und -ärzte Schweiz