Teil 4: Dokumentenaustausch und -ablage
ehealth – die «letzte Meile» wird entscheidend sein

Teil 4: Dokumentenaustausch und -ablage

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Édition
2018/13
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-f.2018.01763
Prim Hosp Care Med Int Gen. 2018;18(13):236-238

Affiliations
a Hausarzt und Mitglied im Entwicklerteam von Elexis, Medizinisches Zentrum gleis d, Chur; b Software-Entwickler, medevit, Götzis, Vorarlberg, Österreich

Publié le 10.07.2018

Die vierteilige Artikelserie wendet sich an den zukünftigen Anwender. Einleitend werden einige grundlegende ehealth-Aspekte besprochen und anschliessend das Potenzial von ehealth für die Anwender an den Beispielen «eImpfdossier», «eMedikation/eMediplan» und «EPD»-Dokumentzugang aufgezeigt.

Einleitung

Patientendokumente wie Austrittsberichte, Arztbriefe, Korrespondenz mit Versicherern und andere nehmen in der täglichen Arbeit der Kinder- und Hausärzte eine zentrale Stellung ein. Bei praktisch jedem Patientenkontakt, sehr oft auch danach und zwischen den ­Kontakten, werden Patientendokumente konsultiert, generiert, empfangen und versandt. Das Dokumenten-Management in der Arztpraxis stützt sich auf ver­schiedene Software-Komponenten ab und bindet viel ­Arbeitszeit. ehealth schafft mit der Etablierung von ­allgemein akzeptierten Standards die Grundlagen für ein effizientes Dokumenten-Management. Der Entwicklungsstand des elektronischen Patientendossiers (EPD) erlaubt aktuell allerdings noch keine Testung, die Konzepte sind aber soweit klar, um den Nutzen für die ­Anwender skizzieren zu können.

Dokumentenablage – aktuelle Situation

Heute erreichen Dokumente wie zum Beispiel Arztbriefe aber auch ganze Krankengeschichten die Arztpraxis per Post, als Fax oder per E-Mail. Pro Jahr und Arzt sind schätzungsweise 10 000 Dokumente zu verarbeiten. Der Workflow gliedert sich in die folgenden Teile: Die medizinische Praxisassistentin (MPA) öffnet den Brief (per Post) oder das Dokument (per E-Mail), sichtet den Eingang, scannt das Dokument im Falle von Papierpost, gibt ihm einen aussagekräftigen ­Namen, legt dieses beim Patienten in der richtigen ­Kategorie ab und stellt es dem zuständigen Arzt für die elektronische Visierung bereit.

Dokumentenablage – was bringt ehealth?

ehealth wird das Dokumenten-Management bei Pa­tienten mit und ohne EPD stark vereinfachen, vorausgesetzt die verwendete Ärztesoftware ist «ehealth-ready». Bei Patienten ohne EPD müssen die ­Dokumente weiterhin in der Arztpraxissoftware ab­gelegt werden. Die mit ehealth eingeführten Metadaten [2] werden aber eine weitgehend automatische Dokumentenablage ermöglichen.

Dokumenten-Management und EPD

Bei Patientinnen mit einem EPD können Dokumente ­direkt im EPD eingesehen werden. Das heisst, diese müssen nicht mehr zwingend im Primärsystem der Arztpraxis vorliegen, und der mühsame Aufwand einer Dokumentenablage entfällt. Dies ist insbesondere bei polymorbiden Patienten mit grossem Dokumentenbestand ein Segen. Neben diesen Erleichterungen ist eine Einsicht in Patientendokumente vor allem im Notfalldienst wertvoll und wichtig für eine optimale Patientenbetreuung.
Damit das Potenzial von ehealth in diesem Bereich ­genutzt werden kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Erreichbarkeit des EPD muss einfach sein, besonders auch im Notfalldienst, und die benötigten Informationen müssen einfach auffindbar sein.

Erreichbarkeit der EPD-Dokumente

Der Arzt sollte während der Alltagsroutine auf die ­Dokumente des EPD so einfach zugreifen können wie auf die in seinem Primärsystem abgelegten. Das heisst, hat der Patient ein EPD und ist die Hausärztin für einen Zugriff berechtigt, sollte sie die Patientendokumente im EPD automatisch und als solche ersichtlich in der Dokumentenablage des Primärsystems dargestellt bekommen.

Müheloses Auffinden der Dokumente im EPD

Sowohl «Metadaten» [3] als auch der sogenannte «Format-Code» [4] erlauben eine kategorisierte Dokumentenablage im EPD. Der Bund hat ein erstes Set von ­Meta­daten[5] verabschiedet, die eine entsprechende Kategorisierung der Dokumentenablage nach Fach­richtung, Herkunft, Berichtart etc. erlauben. Metadaten können strukturierten als auch nicht-strukturierten Dokumenten (PDF, Bilder und andere Dokumente) ­beigelegt werden. Der Anwender sollte in seiner Primärsoftware die Dokumente gemäss den publizierten Metadaten-Standards ­ablegen und, idealerweise, die Dokumenten-Kategorisierung selber parametrieren können. Die Kardiologin im elektrophysiologischen Labor braucht, um sich bei einem Patienten schnell über den Stand der Dinge orientieren zu ­können eine andere Dokumentenübersicht in ihrem Primärsystem als der Hausarzt.

Welche hausärztlichen Informationen/Dokumente gehören ins EPD?

Der Gesetz gibt vor, dass im EPD «behandlungsrelevante Daten aus der Krankengeschichte einer Patientin oder ­eines Patienten (…) zugänglich gemacht werden». Welche Daten «behandlungsrelevant» sind, wird nicht näher beschrieben.
Die Diskussion, welche hausärztlichen Daten sinnvollerweise im EPD abgelegt werden sollen, ist noch nicht geführt. Man wird sich im Wesentlichen, zumindest auf mittelbare Frist, auf die heute schon etablierten, respektive geplanten «Austauschformate» beschränken: Von den publizierten Austauschformaten [6] sind ­aktuell das «eImpfdossier»[7], die «eMedikation» und die «eLaborbefunde» von Interesse. Die Erfahrungen werden zeigen, welche weiteren Funktionalitäten ­sinnvollerweise in das EPD eingebunden werden, und welche Dienste im Sinne einer «smart eKG» wie Guide­lines, Medikamenteninteraktionschecks oder andere Features innerhalb von ehealth angeboten werden ­sollen.

Dokumenten-Management ohne EPD

Man muss damit rechnen, dass auf absehbare Zeit eine Mehrheit der Patienten noch kein EPD eröffnen wird und viele auch keines wollen, das heisst, dass der Datenaustausch wie bis anhin «gerichtet» ist ( von Arzt zu ­Spital/Spezialist etc.). ehealth bietet auch für diesen «Punkt-zu-Punkt»-Verkehr das sogenannte XDM, ein Profil [8], das eine gute Integration der Dokumente in das Patienteninformationssystem (PIS) erlaubt. Dieses Profil verpackt sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten in beliebigen Formaten (CDA, PDF, jpeg, Word etc.) in eine XDM-Datei mit Metadaten, die eine kategorisierte Dokumentenablage beim richtigen Pa­tienten ermöglichen. Diese XDM-Datei kann auf einem ­Datenträger dem Patienten mitgegeben oder via ge­sichertem Mail dem Adressaten geschickt werden.
Ein bi-direktionaler «Punkt-zu-Punkt»-Datenaustausch unter allen dem EPD angeschlossenen Teilnehmenden via EPD wäre sehr attraktiv und für die ­Haus­ärztinnen und Hausärzte ein starker Anreiz, sich ehealth-ready aufzurüsten und beim EPD anzuschliessen. Leider wurde dieser Anwendungsfall im Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) nicht vogesehen.
Eine Möglichkeit des standardisierten «Punkt-zu-Punkt»-Datenaustausches bietet der ehealth Connector. Er unterstützt die Ver- und Entpackung von XDM-Dateien. Gut in den E-Mail-Workflow integriert, erlaubt dies flottes Arbeiten. Eine weitere Möglichkeit plant die Post. Als technischer Plattform-Anbieter möchte sie den Gemeinschaften einen EPD-Zusatzdienst anbieten, der den «Punkt-zu-Punkt»-Verkehr gemäss einem noch zu entwickelnden Standard unter den Teilnehmenden aller Gemeinschaften erlaubt.

Schluss-Fazit

Der Mensch ist gegenüber Änderungen träge. Innovation, die gleichzeitig in viele Bereiche hineinspielt, hat grosse Hürden zu überwinden. Dies zeigten die teuren und ambitiösen Projekte in England[9] und den USA[10], die weniger an technischen Hindernissen, sondern vor allem auch an der fehlenden Anwender-Akzeptanz scheiterten [11].
Die Anwender-Akzeptanz im IT-Bereich ist gross, wenn sie dem Anwender fühlbar von Nutzen und kostengünstig ist. Das Schlüsselkriterium zum Erfolg ist eine nahtlose Integration von ehealth in die vom Anwender benutzte Software und Arbeitsumgebung. Diese «letzte Meile» bleibt es noch zu gehen. Eine nahtlose Integration ist allerdings nur bei aktiver Beteiligung von Ärzten und MPA möglich – sie müssen den Entwicklern zeigen, wie die neuen Features im bestehenden System am besten zu intergrieren sind.
Dr. med. Franz Marty
Facharzt für ­Allgemeinmedizin FMH
Erlenweg 8
CH-7000 Chur
mesmeta[at]bluewin.ch
 1 Der EPD-Aufbau läuft – im technischen Bereich sind Anpassungen notwendig.[Internet]:https://www.e-health-suisse.ch/fileadmin/user_upload/Dokumente/2017/D/171214_Factsheet_Einfuehrung_EPD_d_def.pdf
 3 Für technisch Interessierte: IHE-Metadaten [online]: http://e-health-wiki.ch/index.php/Hilfe:IHE_Metadaten
 4 Für technisch Interessierte: Aufbau der Format Codes [online]: http://e-health-wiki.ch/index.php/Hilfe:IHE_Metadaten#Aufbau_der_formatCodes
 5 SR 816.111. Anhang 3 der Verordnung des EDI vom 22. März 2017 über das elektronische Patientendossier. https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20163256/201803010000/816.11.pdf.
 8 Cross-enterprise Document Media Interchange. IHE wiki [Internet]: https://wiki.ihe.net/index.php/Cross-enterprise_Document_Media_Interchange
 9 Greenhalgh T, Keen J. England’s national programme for IT. BMJ 2013;346:f4130. doi:https://doi.org/10.1136/bmj.f4130
10 Halamka JD, Tripathi M. The HITECH Era in Retrospect. N Engl J Med 2017; 377:907-909. DOI: 10.1056/NEJMp1709851.
11 Zu «Akzeptanz von eHealth»: Greenhalgh T, Wherton J, Papoutsi C, Lynch J, Hughes G, A’Court C, et al. Beyond Adoption: A New Framework for Theorizing and Evaluating Nonadoption, Abandonment, and Challenges to the Scale-Up, Spread, and Sustainability of Health and Care Technologies. J Med Internet Res. 2017 Nov 1;19(11):e367. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5688245/.