Netzwerkarbeit in der Palliative Care
Eine Herausforderung nicht nur für Hausärztinnen und Hausärzte

Netzwerkarbeit in der Palliative Care

Arbeitsalltag
Édition
2020/02
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-f.2020.10154
Prim Hosp Care Med Int Gen. 2020;20(02):72-76

Affiliations
Palliativzentrum Kantonsspital St. Gallen

Publié le 05.02.2020

Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Allgemeiner und Spezialisierter Palliative Care mit dem Fokus auf die ärztliche Versorgung gelingen? Dargestellt wird dies am Beispiel des Kantons St. Gallen.

Einführung

Die medizinische Behandlung und Betreuung von Menschen in Palliativsituationen (Definition siehe Kasten) gehört für Hausärztinnen und Hausärzte, aber auch für viele Spezialärzte sowie Kolleginnen in Akut- und Rehabilita­tionskliniken zum Alltag. Wenn die Krankheit fortschreitet und die Situation komplexer wird, stellt sich die Frage, wann, wie und wo die Spezialisierte Palliative Care involviert werden soll. Die meisten Menschen wünschen sich, so lange wie möglich zuhause bleiben und auch zuhause sterben zu dürfen. Daher sollte das Credo der Palliativversorgung sein: «Die Dienstleistung zum Patienten und nicht den ­Patienten zur Dienstleistung zu bringen».
Im Folgenden werden die Unterschiede zwischen ­Allgemeiner und Spezialisierter Palliative Care er­läutert, die Versorgungsstrukturen beispielhaft am Kanton St. Gallen dargestellt und Indikationskriterien für den Einbezug Spezialisierter Palliative Care aufgezeigt.
Der Begriff Allgemeine Palliative Care beschreibt die ambulante Tätigkeit von Haus- und Spezialärztinnen und -ärzten, die stationäre Tätigkeit in Akut- und ­Rehabilitationskliniken ohne Spezialisierten Palliative-Care-Auftrag sowie die Arbeit im Langzeitpflege­bereich. Somit ist der Begriff der Allgemeinen Palliative Care gleichzusetzen mit Palliative Care in der Grundversorgung.­

Definition Palliative Care [1]

Palliative Care umfasst die Betreuung und die Behandlung von Menschen mit unheilbaren, lebens­bedrohlichen und/oder chronisch fortschreitenden Krankheiten. Sie verbessert die Lebensqualität, beugt Leiden und Komplikationen vor und beinhaltet medizinische Behandlungen, pflegerische Interventionen sowie psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung am ­Lebensende (in Anlehnung an die Definition in den nationalen Leitlinien Palliative Care – herausgegeben 2011 von BAG und GDK).

Was unterscheidet die Allgemeine von der Spezialisierten Palliative Care?

Diese Unterscheidung hat einerseits mit den der Ärztin zur Verfügung stehenden Strukturen (interprofessionelles spezialisiertes Team u.a.), andererseits mit der Expertise des Arztes zu tun. Die Expertise hängt von der Anzahl der von der Ärztin betreuten Patienten ­sowie der Komplexität der Fälle ab.
Spezialisierte Palliative Care ist vorgesehen für Patientinnen und Patienten in instabilen Krankheitssituationen mit Bedarf ­einer komplexen Behandlung oder ­einer Stabilisierung von Symptomen sowie auch für Menschen, deren Angehörige bedingt durch die Palliativsituation an ihre Belastungsgrenze stossen.
Professionelle der Allgemeinen Palliative Care betreuen Menschen in präventiven, kurativen, rehabilitativen und palliativen Situationen. Die Palliativ­versorgung ist somit nur ein Teil der ärztlichen Tätigkeit, die Exposition für Palliativsituationen ist weniger ­häufig und die Komplexität der zu betreuenden Palliativ­situationen ist eher gering.
Professionelle der Spezialisierten Palliative Care betreuen praktisch ausschliesslich Patientinnen und ­Patienten in Palliativsituationen und haben somit ­spezielle Kompetenzen und tägliche Erfahrung in der ­Betreuung von schwerkranken und sterbenden Menschen. Ihr Aufgabenbereich umfasst einerseits die ­Beratung und Unterstützung der Professionellen der ­Allgemeinen Palliative Care als auch die Betreuung des kleineren Segments an Patienten in komplexen und instabilen Situationen auf Palliativstationen, Palliativ­ambulatorien und in Hospizen. Somit arbeiten sie in folgenden Strukturen:

1. Beratende Strukturen

a. Spitalexternes mobiles Palliativ-Team: meist interprofessionelles Team von Spezialistinnen und Spezialisten der Pflege und Ärzte und weiteren ­Professionen, die zuhause die Spitex und die Hausärztin sowie die zuständigen Pflegefachpersonen und Ärzte in den Pflegeheimen in Belangen der ­Palliative Care beraten und unterstützen. Im Kanton St. Gallen: Palliativer Brückendienst, ein pflegerischer Dienst, der primär auf der ­Zusammenarbeit mit ­Hausärzten basiert, mit der Möglichkeit des spezial­ärztlichen Inputs durch Palliativmedizinerinnen. Er ist flächendeckend im ganzen Kanton SG verfügbar und unterstützt auch Teams in Pflegeheimen.
b. Spitalinternes mobiles Palliativ-Team, Palliativ-Konsiliardienst: interprofessionelles Team von Spezialisten der Pflege und Ärzte und weiteren ­Professionen, die auf allen Abteilungen die Teams von Pflege und Ärztinnen in der Palliative Care ­beraten und unterstützen. In allen Akutkranken­häusern des Kantons St. Gallen (ausser Spital Linth) vorhanden.

2. Betreuende Strukturen

a. Palliativstation: Akutstation in einem Akutspital, auf der Patientinnen und Patienten in Palliativ­situationen von spezialisierten Pflegefachpersonen und spezialisierten Ärztinnen und Ärzten sowie weiteren Professionen behandelt und betreut werden. Der Kanton SG verfügt über zwei zertifizierte ­Palliativstationen (Standort Flawil und Standort St. Gallen) sowie über eine weitere Palliativstation in Walenstadt.
b. Hospiz: Langzeitabteilung, in der pflegerisch komplexe Palliativpatienten, die keine enge ärztliche Anbindung benötigen, behandelt und betreut werden. Dies im Sinne einer Nurse-led Clinic. Dies gilt für den Kanton St. Gallen. Andernorts entsprechen Hospize teilweise Palliativkliniken mit einem Angebot vergleichbar mit jenem einer Palliativstation in grösseren Spitälern. Im Kanton SG steht in Grabs und in St. Gallen je ein Hospiz zur Verfügung.
c. Palliativ-Ambulatorium: Ambulatorium, in dem Patientinnen in Palliativsituation von Palliativspezialisten betreut werden. Palliativambulatorien gibt es in den Spitälern Flawil, Grabs, St. Gallen, Wil sowie im Brustzentrum KSSG.

Fallvignette

Herr S., Jahrgang 1965, alleinstehend, leidet an einem lokal fortgeschrittenen metastasierten Rektumkarzinom. Er hat in den letzten drei Monaten 5 kg an Gewicht abgenommen. Wegen analer Schmerzen trotz Therapie mit transdermalem Fentanyl erfolgt die Zuweisung in die Palliativ-Sprechstunde (Palliativambulatorium) im regionalen Krankenhaus. Eine – auf Wunsch des Pa­tienten ambulante – Rotation auf retardiertes orales Morphin führt kurzfristig zu einer Schmerzlinderung, zugleich jedoch zu starker Müdigkeit und Konzentra­tionsstörungen. Der Schmerz ist aber noch nicht ge­nügend kontrolliert, eine Dosissteigerung wegen der Nebenwirkungen nicht möglich. Die Palliativspezialistin sieht eine erneute Opioidrotation als indiziert und schlägt dem Patienten wegen des reduzierten Zustandes eine stationäre Opioidrotation auf der Palliativstation im 50 km entfernten Zentrumsspital vor. Der Patient nimmt die Hospitalisation nun gerne an, da er sich aktuell zuhause nicht mehr selbst versorgen und ihm auch die Unterstützung durch die Spitex zu wenig Sicherheit geben kann. Im Zentrumsspital wird er unter Ketamin von retardiertem oralen Morphin auf Methadon umgestellt. Nach sechs Tagen wird er – mit klarem Kopf und selbständig in allen Aktivitäten des täglichen Lebens – in die hausärztliche Versorgung entlassen. Zu diesem Zeitpunkt ist es ihm wieder möglich zu lesen sowie Sudoku zu lösen und er kann auch längere Zeit sitzen und stehen. Der Schmerz ist nach ­einer ambulanten geringfügigen Dosissteigerung von Methadon gut kontrolliert. ­Nebenwirkungen sind nicht aufgetreten. Nach 14 Tagen ­meldet er sich erneut wegen Mundtrockenheit in der Palliativsprechstunde, da ihm wegen der störenden ­Sekretbildung des Tumors Scopolaminbutylbromid verschrieben worden war. Eine geringfügige Dosisreduktion führt zu einer Besserung der Symptome. Die weitere Betreuung erfolgt in der Hausarztpraxis.

Wann ist der optimale Zeitpunkt, an ­Palliative Care zu denken?

Um den optimalen Zeitpunkt für den Beginn der Pal­liativversorgung eines Patienten zu identifizieren, wurden verschiedene Instrumente verfasst. Eines davon ist der von der Universität Edinburgh entwickelte evidenzbasierte Leitfaden «SPICT» (Supportive and Palliative Care Indicators Tool), der seit 2017 in einer deutschsprachigen Version vorliegt (Abb. 1) [2]. Das ­Instrument beinhaltet allgemeine Indikatoren für die Palliativversorgung – in der Fallvignette sind dies: reduzierter Allgemeinzustand, der Patient ist im Alltag auf Unterstützung angewiesen, Gewichtsverlust. Ebenso beschreibt das SPICT krankheitsspezifische Indikatoren für die Palliativversorgung – in der Fallvignette sind dies: Progredienz der Erkrankung mit zunehmender Symptomlast. Das Instrument schlägt auch schon erste mögliche Massnahmen im Sinne der Palliativversorgung vor.
Abbildung 1: SPICT ist ein Leitfaden zur Identifikation von Patientinnen und Patienten, die von einer ­Palliativversorgung profitieren können; Nachdruck mit freundlicher ­Genehmigung von K. Boyd, University of Edinburgh, https://www.spict.org.uk/ .
Instrumente wie SPICT ermöglichen es den in der Allgemeinen Palliative Care tätigen Kolleginnen und Kollegen, Patienten in palliativen Situationen als solche zu indentifizieren. So sollten zum Beispiel bei der zweiten ungeplanten Hospitalisation innerhalb von sechs Monaten gemäss SPICT die ersten Massnahmen der Palliativversorgung eingeleitet werden. Seit der Studie von Temel [3] ist in der Onkologie das Schlagwort der «early palliative care» in vieler Munde. Darunter versteht man den Einbezug eines geschulten Palliative-Care-Teams innerhalb von Wochen nach Diagnosestellung einer ­Tumorkrankheit. In den folgenden regelmässigen Konsultationen liegt das Hauptaugenmerk auf Themen wie Symptomkontrolle, Entscheidungsfindung, Advance­ Care Planning sowie der Krankheitsbewältigung unter Einbezug der Angehörigen. Die Studie ergab unter diesen Massnahmen eine Verbesserung der Lebensqualität. Die Umsetzung, das heisst, onko­logische Patientinnen und Patienten bereits bei Dia­gnosestellung über die Möglichkeiten der Palliation zu ­informieren, hat sich aber noch bei Weitem nicht  flächendeckend durchgesetzt. Auch bei chronisch ­fortschreitenden Erkrankungen wie COPD, Herzinsuffizienz, Leberinsuffizienz und neurodegenerativen Erkrankungen wird häufig erst in der Sterbephase an Palliative Care gedacht und diese implementiert. Dies könnte sich durch die Beachtung des SPICT ver­ändern.
Der überwiegende Teil jener Patienten, die Bedarf an palliativmedizinischer Betreuung haben, kann auch im weiteren Krankheitsverlauf durch Fachpersonen der Allgemeinen Palliative Care behandelt und betreut werden. Über die dazu notwendigen grundlegenden Kompetenzen der Palliative Care verfügen sie. Hilfreich für eine zielführende Palliativbetreuung ist ein strukturiertes Vorgehen, wie es zum Beispiel das SENS-Modell bietet [4–6].

Wann ist es sinnvoll, die Spezialisierte Palliative Care einzubeziehen?

Die Spezialistinnen und Spezialisten der Palliative Care sehen sich ver­antwortlich für komplexe und instabile Situationen von Patienten in Palliativsituationen. Dies, um allfällige nächste Schritte einzuleiten (in der Fallvignette: Palliativambulatorium und Palliativstation). Wann aber ist eine Situation komplex oder instabil (Tab. 1)?
Tabelle 1: Komplexe oder instabile Situation?
Komplexität kann beschrieben werden durch:
1. Schwierigkeit der BehandlungEin Symptom (z.B. Schmerz) kann nicht innerhalb von drei Tagen deutlich gebessert werden.
2. Vielschichtigkeit – Multi­dimensionalität eines SymptomsEin Symptom (z.B. Schmerz), dessen Ursache nicht nur in der körperlichen, sondern wesentlich auch in psychischen, sozialen oder spirituellen Dimension/en gründet.
3. GleichzeitigkeitVerschiedene Symptome oder Probleme, die sich gegenseitig verstärken, liegen vor (z.B. Schmerz und Angst oder Schmerz und Einsamkeit).
4. UnvorhersehbarkeitJederzeit kann eine einschneidende Komplikation eintreten (z.B. massive Blutung, Paraplegie), oder der Patient befindet sich in einer Krise.
5. UnüberblickbarkeitEine Situation kann von den Professionellen, dem Patienten oder den Angehörigen nicht eingeordnet werden.
Die Instabilität einer Situation ist durch die Kriterien 4 und 5 der Komplexität (Unvorhersehbarkeit, Unüberblickbarkeit) sowie durch eine schnelle Verschlechterung des Allgemeinzustandes oder die hohe Vulnerabilität der Patientin gekennzeichnet (vgl. dazu auch Tabelle 2 «Indikationskriterien für Spezialisierte Palliative Care», BAG und GDK 2011) [7].
Tabelle 2: Indikationskriterien für Spezialisierte Palliative Care (BAG und GDK, April 2011) [7].
Die Indikationskriterien sind körperlicher, psychischer, sozialer/kultureller, ­organisatorischer sowie spiritueller Natur.
Belastende und komplexe Symptome
Verschlechterung oder Instabilität des Allgemeinzustandes bei fortgeschrittenen Erkrankungen
Notwendigkeit der Patienten- und Angehörigen-Schulung im Umgang mit ­symptomatischen Krisen
Psychische Störungen oder erhöhte Vulnerabilität
Psychische Krisen im Rahmen der Erkrankung
Schwierige Entscheidungsfindung
Überlastung der betreuenden Angehörigen
Fehlende oder ungenügende Unterstützung
Konflikte vor dem Hintergrund kultureller Unterschiede
Ungeklärte weitere Versorgung
Konflikte bezüglich der Therapieziele innerhalb von Behandlungsteams oder zwischen Behandlungsteams und Patienten/Angehörigen
Mehr als zwei Notfallhospitalisationen innerhalb der letzten sechs Monate bei Patientinnen mit weit fortgeschrittenem Leiden
In der Fallvignette zeigt sich die Komplexität der Situation durch die Schwierigkeit der Behandlung, indem bei Dosissteigerung die unerwünschten Arzneimittelwirkungen derart in den Vordergrund treten, dass das Ziel der genügenden Analgesie nicht erreicht wird.
Die Spezialisierte Palliative Care hat ihre Kompetenzen im Management therapierefraktärer Symptome (häufig schwierig, vielschichtig, gleichzeitig). Dies nicht nur bei körperlichen Symptomen, sondern insbesondere auch bei komplexer Angstproblematik, Depression und existentiellen Krisen. Auch die Unterstützung bei Schwierigkeiten in der Krankheitsverarbeitung (Krankheits- und Prognoseverständnis des Patienten und/oder der Angehörigen) ist eine Aufgabe der Palliativ-Spezialistin. Neben der Begleitung von Patientinnen und Patienten und Familien im Umgang mit Trauer, was ebenso eine wesentliche Kompetenz der in der Allgemeinen Palliative Care tätigen Kolleginnen und Kollegen ist, stellt die Beratung bei Lösung von Konflikten in der Entscheidungsfindung innerhalb von Familien oder Behandlungsteams einen wichtigen Aufgabenbereich dar. Darüber hinaus gehört in den Aufgabenbereich der Ausbau eines professionellen Helfernetzwerkes und die Unterstützung sowie Fort- und Weiterbildung der Professionellen der Allgemeinen Palliative Care [8].

Ziele und Koordination im ­Palliativ­netzwerk

Ziel des Netzwerkes ist eine kontinuierliche, koordinierte und problemorientierte Betreuung von Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen.
Um dies zu gewährleisten, bedarf es folgender Voraussetzungen:
– klar definierte gemeinsame Behandlungsziele;
– Klärung der Verantwortlichkeiten;
– eine konzise, zielorientierte und realistisch umsetzbare (adressatengerechte) Kommunikation.
Um problem- und ressourcenorientierte Ziele formulieren zu können, hat sich als Grundlage die Vorgehensweise nach der SENS-Struktur (Symptome – Entscheidungsfindung – Netzwerk – Support) bewährt [4–6]. Ebenfalls sollten das Krankheits- und Prognoseverständnis der Patientin evaluiert werden. Selbstverständlich müssen die daraus abgeleiteten Behandlungsziele mit ihr besprochen und damit sichergestellt werden, dass diese auch ihre Ziele sind. Dieses Vorgehen trägt dazu bei, dass sich die Patientin im Netzwerk involviert und aufgehoben fühlt.
Grundsätzlich ist es sinnvoll, dem Hausarzt die Fallführung zu überlassen. Dies kann jedoch, je nach Wunsch des Patienten und Machbarkeit für die Hausärztin, auch anders geregelt werden. Der Hausarzt sollte auch derjenige sein, der (mit-)entscheidet, ob und wann die Spezialisierte Palliative Care oder weitere Professionen beigezogen werden sollen, sonst kann er seiner Koordinationsfunktion nicht gerecht werden.
Eine gelingende Kommunikation findet dann statt, wenn die Informationsmenge, die Informationskanäle (Briefe, Auszüge aus der Dokumentation, Mails, SMS, Telefonate u.a.) und die Reaktionszeit für alle Netzwerkpartner geklärt sind. Wesentlich dabei ist, die ­Arbeitslogik der anderen Netzwerkpartner zu berücksichtigen. Wenn der Hausarzt erst nach dem Sprech­stundentag eine Mail-Anfrage der Spitex beantworten kann, diese zum Zeitpunkt der Antwort des Hausarztes aber nicht mehr im Dienst ist, so muss je nach Dringlichkeit der Anfrage auf einen anderen Informationskanal zurückgegriffen werden.
Zur Koordination der Aufgaben und der Kommunikation/Dokumentation im Einzelfall hat sich eine gemeinsame Besprechung aller im Netzwerk aktiven Professionellen mit dem Patienten und seinen Angehörigen als hilfreich und effizient erwiesen. Dies kann im Sinne eines Round Table geschehen. Dabei lernen sich die Involvierten kennen und können die notwendigen Absprachen treffen. Dabei sind Angehörige immer als «Netzwerkpartner», die sowohl in die Entscheidungsfindung als auch die Umsetzung involviert werden, anzuerkennen.
Ein wichtiges Instrument zur Zieldefinition und Kommunikation im Netzwerk ist der «Palliative Be­treuungsplan» [9]. Dieser beinhaltet folgende Punkte: Welche Entscheidungen wurden bereits getroffen? Wer gehört zum Betreuungs-Netzwerk? Wer benötigt Support? Zudem werden Vorgehensweisen und Medika­tionsplan in der Sterbephase und in Krisensituationen festgelegt. Eine Patientenverfügung und der Vorsorgeauftrag können den Betreuungsplan ergänzen und die Inhalte konkretisieren.
Als übergeordnete Struktur zur regionalen/kantonalen Koordination des Netzwerkes haben sich gemeinsame Treffen von Vertreterinnen und Vertretern der Hausärzte, Spitex, Spezialisierten Palliative Care, Seelsorger und anderen zur Festlegung gemeinsamer ­Vorgehensweisen (SENS, Betreuungsplan etc.) als zielführend erwiesen.

Fazit

• Die in der Allgemeinen Palliative Care tätigen Ärztinnen und Ärzte sollen Patientinnen und Patienten in Palliativsituationen frühzeitig als solche identifizieren und die dafür hilfreichen Instrumente kennen.
• Die Indikationskriterien zum Beizug der Spezialisierten Palliative Care sollen den in der Allgemeinen Palliative Care Tätigen bekannt sein.
• Ärztinnen und Ärzte der Allgemeinen und der Spezialisierten Palliative Care arbeiten im Netzwerk zusammen. Entscheidend für ein Gelingen der Kollaboration sind:
– Das Festlegen und Verfolgen klar definierter individueller Therapieziele;
– Die Regelung der Verantwortlichkeiten, insbesondere der Koordination;
– Eine gute Kommunikation und Dokumentation.

Hinweis

Aufgrund des starken regionalen Bezuges hat die Redaktion darauf verzichtet, den Artikel auf Französisch zu übersetzen. Ein ähnlich gelagerter Artikel zur Situation der Palliative-Care-Versorgung in der Romandie ist geplant und wird dann auf Französisch erscheinen.
Dr. med. Anna Beran-Kühne
Oberärztin, ­Palliativzentrum
Rorschacherstrasse
CH-9000 St. Gallen
annamaria.beran[at]kssg.ch
3 Temel JS, Greer JA, El-Jawahri A, Pirl WF, Park ER, Jackson VA, et al. Effects of Early Integrated Palliative Care in Patients With Lung and GI Cancer: A Randomized Clinical Trial. Journal of Clinical Oncology. VOLUME 35, Nr. 8, 03/2017.
5 Eychmüller S. SENS macht Sinn – Der Weg zu einer Assessment-Struktur in der Palliative Care. Therapeutische Umschau. 2012;69(2):87–90.
6 Fliedner MC, Mitchell G, Bueche D, Mettler M, Jos M. G. A. Schols, Eychmueller S. Development and Use oft he «SENS»-Structure to Proactively Identify Care Needs in Early Palliative Care – An Innovative Approach. Healthcare (Basel). 2019 Feb 20;7(1).
8 Quill TE, Abernethy AP. Generalist plus Specialist Palliative Care – Creating a More Sustainable Model. N Engl J Med. 2013;368:1173–75, DOI: 10.1056/NEJMp1215620.