access_time veröffentlicht 08.02.2023
«Die Weiterbildung ist unsere Investition in die Zukunft»
«Die Weiterbildung ist unsere Investition in die Zukunft»
08.02.2023
Interview mit Prof. Stefano Bassetti und PD Dr. Robert Escher
Das Interview führte Ursula Käser, Verantwortliche Bereich Qualität, Weiter- und Fortbildung, SGAIM.
Herr Prof. Bassetti, wie haben Sie die Entwicklungen in der Weiterbildung in den vergangenen zehn Jahren erlebt?
Prof. Bassetti: Aus meiner Sicht waren (und sind weiterhin…) vor allem zwei Themen dominant für die AIM. Einerseits ist es komplex, im gleichen Programm die Weiterbildung sowohl für die Hausarztmedizin wie auch für die «Spitalmedizin» abzubilden und zu definieren. Zudem sind die Tätigkeit und die dafür notwendigen Kompetenzen der Allgemeininternistinnen und -internisten in der Schweiz je nach Kontext auch sehr unterschiedlich: z.B. ländliche versus städtische Hausarztpraxis oder Regional- versus Zentrumsspital. Deshalb muss das Weiterbildungsprogramm möglichst flexibel sein, um individualisierte Curricula zu ermöglichen, und auf der anderen Seite eine gemeinsame Basis für die Weiterbildung in Hausarzt- oder Spitalmedizin vorsehen. Das gemeinsame Weiterbildungsprogramm AIM ist meiner Meinung nach aber ein grosser Vorteil und einer der Gründe, weshalb die Qualität der ärztlichen Versorgung in der Praxis und im Spital in der Schweiz so gut ist.
Das zweite Thema ist die Schärfung des Profils der Allgemeinen Inneren Medizin. Allgemeininternistinnen und -internisten sind Generalistinnen und Generalisten, das heisst Spezialistinnen und Spezialisten für die umfassende patientenzentrierte Versorgung und für die Betreuung von Patientinnen und Patienten mit häufigen Krankheiten und von polymorbiden Patieninnen und Patienten. Die Allgemeine Innere Medizin ist dadurch eine der tragenden Säulen des Gesundheitssystems, und das muss in der Öffentlichkeit klar ersichtlich sein. Die spezifischen Kompetenzen, die für diese Rolle nötig sind, müssen im Weiterbildungsprogramm AIM klar abgebildet werden, und es muss gewährleistet werden, dass diese Kompetenzen während der Weiterbildung erlangt werden können.
Herr Prof. Bassetti, wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Zukunft der Weiterbildung in der Allgemeinen Inneren Medizin?
Prof. Bassetti: Das Wissen, die Kompetenzen und das «klinische Denken», die man als Allgemeininternistin oder -internist braucht, kann man nur in einem Setting lernen, in dem man diese auch lebt und praktiziert. Deswegen ist es zentral, dass man in der Zukunft einerseits genügend Praxisassistenz-Plätze für AIM-Kandidatinnen und Kandidaten zur Verfügung stellen kann, und anderseits in den Spitälern (auch in den Universitätsspitälern) die allgemeininternistischen Kliniken unterstützt und gefördert werden, damit sie ihre Rolle auch in der Weiterbildung wahrnehmen können.
Weitere Herausforderungen sind die Proliferation von «Zusatzausweisen» oder -titeln für Tätigkeiten, die eigentlich in der Weiterbildung AIM vorgesehen sind. Solche Zusatztitel sind nur gerechtfertigt, wenn es um Spezialwissen und Spezialkompetenzen geht, die weit über die allgemeininternistischen Kompetenzen hinausgehen.
Besorgniserregend sind auch die Pläne von gewissen Behörden und Kantonen, die Anzahl der Weiterbildungsplätze für die Assistentinnen und Assistenten, aber auch die Dauer und den Inhalt der Weiterbildung zentral dirigistisch festzulegen. Von der Erfahrung in anderen Ländern wissen wir, dass solche Versuche kläglich scheitern werden und einen grossen Schaden anrichten können, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo wir alle wissen, dass unbedingt mehr Ärztinnen, Ärzte, Allgemeininternistinnen und -internisten ausgebildet werden müssen…
Herr PD Dr. Escher, was hat Sie persönlich dazu motiviert, das Amt des Präsidenten der Weiterbildungskommission zu übernehmen?
PD Dr. Escher: Die Weiterbildung ist unsere Investition in die Zukunft. Die Übermittlung von Wissen kostet Zeit (und Geld), garantiert jedoch langfristig eine professionelle Betreuung der zukünftigen Patientinnen und Patienten. Ich bin täglich mit Fragen der fachlichen und organisatorischen Betreuung von Kranken konfrontiert und bin deshalb motiviert, meine Erfahrung der Kommission und damit der SGAIM zur Verfügung zu stellen.
Herr PD Dr. Escher, wo möchten Sie die Schwerpunkte der künftigen Arbeit der Weiterbildungskommission setzen?
PD Dr. Escher: Die Kommission erfüllt die Aufträge des SGAIM-Vorstandes. Ich möchte die bestehenden Mittel und Wege der Weiterbildung so weiterentwickeln, dass unsere weiterzubildenden Kolleginnen und Kollegen bestens ausgerüstet auch in Zukunft die Patientenbetreuung bewältigen. Wichtige Fragen sind und bleiben: Wie gebe ich mein Wissen weiter, und wie stelle ich sicher, dass das Wissen aufgenommen wurde und adäquat umgesetzt wird? Die zunehmenden fachlichen Möglichkeiten und die parallel zunehmenden Anforderungen müssen dabei ressourcenschonend gelehrt werden – kein einfaches Unterfangen!
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