access_time veröffentlicht 18.08.2017

Grundsatzentscheid des Bundesrates zum Tarifeingriff

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Grundsatzentscheid des Bundesrates zum Tarifeingriff

18.08.2017

Medienmitteilung FMH, mfe, fmCh, FMPP: Ambulanter Tarif TARMED - Ärzteschaft vereint Richtung Gesamtrevision

Die Ärzteschaft hat den vom Bundesrat verabschiedeten Grundsatzentscheid zur Anpassungen der ambulanten Tarifstrukturen zur Kenntnis genommen. Der Bundesrat hat offensichtlich festgestellt, dass der Vernehmlassungsvorschlag die ambulante Versorgung und die hochstehende Qualität des Schweizer Gesundheitswesens gefährdet hätte. Teilweise wurde die Kritik der Ärztegesellschaften aufgenommen, dennoch bleibt das Fazit: Durch diesen bundesrätlichen Eingriff wird die ambulante Gesundheitsversorgung beeinträchtigt. Die Haus- und Kinderärzte Schweiz (mfe), die chirurgisch und invasiv tätigen Ärztinnen und Ärzte (fmCh) sowie die Psychiater und Psychotherapeuten (FMPP) verfolgen deshalb gemeinsam mit der FMH eine sachgerechte Gesamtrevision des ambulanten Tarifs um die kostengünstige ambulante Medizin und Versorgung zu stärken.

Der Grundsatzentscheid des Bundesrats zur Verordnung über die «Festlegung und die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung», die ab 1. Januar 2018 in Kraft tritt, schwächt trotz einiger Korrekturen gegenüber der Vernehmlassungsvorlage die qualitativ hochstehende und kostengünstige ambulante Gesundheitsversorgung. Für Dr. med. Jürg Schlup, Präsident der FMH, ist klar: «Ein solcher Tarifeingriff führt zu noch mehr Komplexität in der Anwendung des Tarifs und zu einer weiteren administrativen Mehrbelastung. Dadurch nimmt die Zeit für den direkten Patientenkontakt weiter ab.»

Rationierte Leistungen führen zu Kostensteigerungen

Trotz einiger Korrekturen gegenüber der Vernehmlassungsvorlage bleiben unsachgerechte Massnahmen bestehen. Der Bundesrat hält nämlich generell an Limitationen fest und will damit die Kosten senken. Die Ärzteschaft kritisierte diese Massnahme bereits in der Vernehmlassung. Mit der zeitlichen Begrenzung von telefonischen Konsultationen und Kriseninterventionen auf 20 Minuten, aber der Möglichkeit diese Zeit in Absprache mit dem Versicherer zu verdoppeln, werden die administrativen Hürden erhöht und die Patientensicherheit gefährdet. Pierre Vallon, Präsident der Psychiater und Psychotherapeuten: «Eine telefonische Krisenintervention dauert bei Patienten mit einer psychischen Krankheit selten nur 20 Minuten – eine solche Limitierung kann für die betroffene Person lebensgefährdend sein.»

Insbesondere beinhaltet die Leistung in Abwesenheit des Patienten wichtige Aufgaben wie Absprachen mit Therapeuten, Spitex, Apothekern, Spitalärzten, Spezialisten sowie Gespräche mit dem Umfeld des Patienten. «Diese koordinierende Rolle der Haus- und Kinderärzte ist zentral und sorgt für eine möglichst kostengünstige medizinische Versorgung. Gerade im Rahmen der in Zukunft zunehmenden interprofessionellen Zusammenarbeit ist die Arbeit in Abwesenheit des Patienten unabdingbar, die Limitierung wird uns trotz der Anpassungen in unserem Alltag behindern», betont Dr. med. Philippe Luchsinger, Präsident der Haus- und Kinderärzte.

«Mit dem vom Bundesrat verordneten Tarif werden verschiedene operative und invasive Leistungen im ambulanten Bereich nicht mehr kostendeckend erbracht werden können. In der Folge ist mit Engpässen, Wartezeiten und Kostensteigerungen zu rechnen», mahnt Dr. med. Josef Emil Brandenberg, Präsident der fmCh. Diese Massnahmen des Tarifeingriffs führen zu Kollateralschäden in der ambulanten medizinischen Versorgung und verursachen nicht wie vom Bundesrat beabsichtigte Kostensenkungen sondern Kostensteigerungen, weil es zu Verschiebungen in den teureren stationären Bereich kommt.

Ärzteschaft vereint Richtung Gesamtrevision

Die ambulante Tarifstruktur muss gemäss Art. 43 Abs. 4 KVG betriebswirtschaftlich bemessen und sachgerecht strukturiert sein. Der bundesrätliche Tarifeingriff widerspricht diesem Grundsatz.

Deshalb will die Ärzteschaft zusammen mit den Tarifpartnern die Gesamtrevision des TARMED realisieren. Dr. med. Urs Stoffel, Mitglied des FMH-Zentralvorstands und Departementsverantwortlicher Ambulante Versorgung und Tarife bekräftigt: «Das Ziel ist eine nachhaltige Gesamtrevision, welche die Sachgerechtigkeit und Betriebswirtschaftlichkeit des ambulanten Tarifs wiederherstellt.» In über 30 Arbeitsgruppen mit insgesamt über 150 beteiligten Personen arbeiten derzeit medizinische Experten der Fachgesellschaften sowie Tarifexperten der FMH am Tarifrevisionsprojekt TARCO. Dieser Tarifvorschlag soll bald mit den Tarifpartnern diskutiert werden, mit dem Ziel, Mitte 2018 dem Bundesrat einen Vorschlag zur Ge-nehmigung einzureichen.

Vorhandene Sparpotenziale nutzen

Statt versorgungseinschränkender Tarifeingriffe könnte der Prämienanstieg wirksamer über die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen gedämpft werden. Studien wie bspw. von PwC (2016) zeigen, dass so jährlich 1 Milliarde Franken gespart werden kann. Immer mehr Patienten können heute ambulant statt stationär behandelt werden; und dies bei gleicher Qualität, jedoch zu wesentlich tieferen Kosten. «Ambulant vor stationär» ist Teil der Lösung zur Senkung der steigenden Gesundheitskosten. Dies hält auch der Bundesrat in seiner Strategie «Gesundheit 2020» fest.

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